Ein Mann horcht an einem Megafon. Ein weiterer steht neben einem Tisch. © Photocase Foto: busdriverjens

Kolumne: "Ohren auf: Du wirst berufen!"

Stand: 07.05.2022 07:30 Uhr

Was ist meine Berufung? Diese Frage kann großen Druck machen: Wer oder was soll und will ich sein? Pastorin Susanne Richter sagt: Berufung kommt von Rufen und findet vor allem im Kleinen statt.

von Susanne Richter

"Was könnte meine Bestimmung sein?" Ich finde, diese Woche ist ein idealer Zeitpunkt, um sich darüber Gedanken zu machen. Zumindest ist Samstag laut Kalender "Berufungstag". Ich hab mal im Netz unter "Berufung" geguckt: Unter der Überschrift wird einem wirklich viel Bedeutsames gezeigt. Da sprechen Menschen über große Wendepunkte in ihrem Leben. Und dann findet man wichtige Ämter unter "Berufung": im Staat, in der Kirche, an der Universität oder beim Sport etwa. Zu solchen Ämtern wird man auch berufen: Du bist der oder die Richtige! Und das geht immer etwas über die eigentliche Aufgabe hinaus. Berufung hat ein gewisses Extra: gemeint sein, gewollt sein und auch, ja: Würde.

"Muss es denn immer die eine große Berufung sein?"

Ich finde, das ist nicht nur bei den besonders herausgehobenen Positionen so. Auch bei so ganz "normalen" Jobs. "Mein Beruf ist meine Berufung", das klingt erstrebenswert attraktiv. So, als ob sich jemand genau am richtigen Ort fühlt. Auch bei Hobbys und Ehrenämtern: Berufung meint, da macht jemand seine Sache mit 100 Prozent Herz. Beneidenswert, finde ich. Die Suche nach so einer Berufung kann aber auch stressen. Darum frage ich: Vielleicht hängen wir die Sache etwas zu hoch? Muss es denn immer die eine große Berufung sein?

Nicht nur Würdenträger aus Staat oder Kirche sind "berufen"

Susanne Richter © Kirche im NDR Foto: Christine Raczka
"Auch bei Normalos müsste man von Berufung sprechen", meint Pastorin Susanne Richter.

Bei den religiösen Berufungen in der Bibel klingt es übrigens auch immer nach ganz großem Kino: Da bekommen Menschen von Gott einen dramatischen Call für eine Aufgabe. Und die ist in vielen Fällen wirklich anstrengend, wie man bei den Propheten nachlesen kann. Den Machthabern sagen, dass sie schlecht mit den Armen im Land umgehen. Dafür braucht man definitiv Rückgrat. Zu Recht spricht man da von Berufung und "Berufenen". Und trotzdem sage ich: Die Propheten aus der Bibel haben den Begriff genauso wenig gepachtet wie die hohen Würdenträger aus Staat, Kirche, Uni oder Sport. Auch bei uns Normalos müsste man davon sprechen. Wenn wir nämlich das Wort "Berufung" ernst nehmen, dann heißt das doch, dass mich in der Gegenwart etwas anspringt. Etwas, was mich aufruft, tätig zu werden. Vielleicht nicht ein großer Call, aber viele kleine.

Im Alltag zählen die kleinen Berufungen

Das kann ein Mensch mit Fahrradpanne sein, der meine Hilfe braucht. Oder eine Einladung zum Tanzen. Ich glaube, immer dann, wenn ich innerlich aufhorche, mich gemeint fühle, Verantwortung übernehme und antworte, dann ist es eine Berufung. Und meistens sind es tatsächlich diese kleinen Berufungen, die im Alltag wirklich zählen.

Kreuz, Herz oder Anker? So heißt die Kolumne der Kirche im NDR. Jeden Donnerstag vergeben die Radiopastoren und Redakteure ein Kreuz für Glauben, ein Herz für die Liebe oder einen Anker für das, was hoffen lässt.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | 07.05.2022 | 07:30 Uhr

Ein Herz, Kreuz und Anker aus Silber vor blauem Hintergrund © Kirche im NDR Foto: Christine Raczka

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