Kolumne: "Gemeinsam singen tröstet"
Bald laden viele Chöre wieder ein zum Singen in den Mai. Dass Singen in Gemeinschaft heilsam wirkt, erleben viele Menschen in diesen Tagen. Auch Radiopastorin Christine Oberlin.
Mehr als 30.000? Mein Mann und ich sind skeptisch, als wir auf einer Baltikum-Reise vom Sängerfest in Tallinn hören. So viel Fröhlichkeit und Begeisterung, schöner Klang und warmherzige Melodien sind hörbar und spürbar. Die meisten Sängerinnen und Sänger tragen ihre volkstümlichen Trachten, machen sich fein für diesen Tag. Auch Touristen spüren, wie gemeinsames Singen verbindet und Gemeinschaft stiftet.
Man bekommt eine Ahnung von der Stimmung in Tallinn und Tartu während der "Singenden Revolution" Ende der 80er Jahre, als man in Estland politische Unabhängigkeit erreichte. Singen als Mittel gegen jede Art von Fremdherrschaft und als einigendes Band.
"Heilsame und beglückende Erfahrung"
Singen im Fußballstadion oder im Kinderchor, singen allein in der Badewanne oder am Steuer im Auto, weil gerade mein Lieblingsschlager gespielt wird. Die heilende und tröstende Kraft ist schon in der Bibel belegt, als David seinem König Saul einen Psalm vorsingt. Von heilsamen und beglückenden Erfahrungen berichten die Mitglieder des Vereins "Singende Krankenhäuser e.V.", der Schulungen für interessierte Einrichtungen anbietet. Patienten berichten von der entspannenden Wirkung des gemeinsamen Singens. Als warmherzig und tröstlich empfinden Angehörige es, wenn bei der Trauerfeier andere für sie in den Gesang einstimmen.
Singen ist gut für Herz und Kreislauf
Laut einer Studie der Universität Göteborg ist Singen gesund für Herz und Kreislauf; wer singt, fühlt sich entspannter. Ein Hormon wird freigesetzt, das hilft, Vertrauen zu fördern und Bindungen zu stärken.
Ich weiß: Wir können nicht über alles, was uns bedrückt, hinwegsingen oder tanzen. Aber wir nehmen eine andere Haltung an beim Singen und in der Bewegung, und wir fühlen uns verbunden. Ich atme bewusst und denke dabei an die Schöpferkraft, die dem Menschen den Odem eingehaucht hat. "Es gibt keine falschen Töne, nur andere", habe ich einmal auf einem Kirchentag gehört. Nur Mut, singen ist nicht schwer.
Kreuz, Herz oder Anker? So heißt die Kolumne der Kirche im NDR. Jeden Donnerstag vergeben die Radiopastoren und Redakteure ein Kreuz für Glauben, ein Herz für die Liebe oder einen Anker für das, was hoffen lässt.