Kolumne: "Komm rüber"
Es ist frostig geworden in unserer Gesellschaft. So erleben es derzeit viele: Unsere Gegenwart als "Eiszeit". Miteinander reden? Probleme gemeinsam angehen? Scheint immer schwieriger zu werden. Und so fühlen sich die Menschen zunehmend einsam und isoliert, in allen Altersgruppen.
Wirklich schade. Ich wünschte es mir anders. Mehr denn je brauchen wir Orte und Möglichkeiten zum Reden und Zuhören. Denn miteinander reden - respektvoll, offen und geduldig - das hilft gegen Kälte und Missverständnisse. Im Großen und im Kleinen. Da kommt das Motto der Fastenzeit genau richtig: "Komm rüber! Sieben Wochen ohne Alleingänge". Klingt gut. Aber ist das so leicht umzusetzen?
Schmetterlinge überleben den Winter nur gemeinsam
Dabei macht es die Natur uns doch vor. Das habe ich gerade wieder in einem Fernsehbericht über Monarchfalter gelernt. Tausende von Faltern besiedeln einen Baumstamm, dass es fast aussieht wie eine zweite Rinde. Die großen Schmetterlinge mit ihren markanten orangefarbenen Flügeln überwintern gemeinsam. Sie halten sich mit ihren dünnen Beinchen an Baumstämmen fest und rücken in der Kälte eng zusammen, die Krone des Baumes schützt sie vor Fallwinden. Wenn einer der zarten Falter sich löst, wird es gefährlich im eisigen Wind. Wie klug sie sind, die Tiere.
Kommunikation bedeutet "gemeinsam teilhaben"
"Komm rüber", sagt meine Nachbarin am Telefon. Sie lädt mich ein zu einem Kaffee, und wir reden. Über das Wetter und den Winter, und was uns Sorgen macht, wenn wir die Nachrichten sehen. Auch über Privates, die Familie. Als ich zurück nach Hause komme, fühle ich mich irgendwie leichter. Kommunikation ist Gold wert. Gemeinsam teilhaben, heißt das Wort übersetzt.
Es ist einen Versuch wert: Komm rüber! Am Gartenzaun, an der Bushaltestelle, in der U-Bahn, auf der Arbeit - mutig aufeinander zu und ins Gespräch gehen. Der eisige Frost könnte sich hier und da verziehen und der Frühling sich zeigen. Mit Licht und Wärme und bald herrlicher Ostersonne.
Kreuz, Herz oder Anker? So heißt die Kolumne der Kirche im NDR. Jeden Donnerstag vergeben die Radiopastoren und Redakteure ein Kreuz für Glauben, ein Herz für die Liebe oder einen Anker für das, was hoffen lässt.