Pater Nikodemus Schnabel von der Dormitio-Abtei in Jerusalem steht in der Altstadt von Jerusalem. © picture alliance Foto: Stefanie Järkel

Nikodemus Schnabel: "Pro Israel, pro Palästina? Ich bin pro Mensch"

Stand: 20.07.2024 08:25 Uhr

Als eine der wenigen internationalen Organisationen sind die zwölf Brüder der internationalen Benediktinergemeinschaft in der Abtei Dormitio in Jerusalem trotz des Krieges zwischen Israle und der Hamas geblieben. "Unser Auftrag als Christen ist es, glaubwürdiger Christ zu sein, auch in diesem Krieg", sagt Abt Nikodemus Schnabel.

Wie geht es ihrer Gemeinschaft?

Nikodemus Schnabel: Spirituell geht es uns hervorragend. Von uns Brüdern weiß gerade jeder, warum man morgens aufsteht. Jeder hat nochmal sich neu entschieden, Mönch im heiligen Land zu sein. Auf der anderen Seite geht es uns nicht gut. Wir sind sehr finanziell abhängig von Pilgern und Touristen. An sehr guten Tagen haben wir bis zu 5.000 Pilgern. Ein sehr guter Tag ist gerade, wenn wir 50 Leute haben.

Wenn nur noch 50 statt 5.000 Pilger kommen, was ist denn jetzt ihre Aufgabe, die so wichtig ist, dass sie sogar sagen, gerade jetzt wissen wir, dass wir hier richtig aufgehoben sind?

Schnabel: Unsere Kirche ist auf, unsere Läden sind auf, und wir halten treu unsere Gebetszeiten. Das heißt, wir bieten unser Leben an, als ob es ein ganz normales Leben wäre. Und da gibt es sehr, sehr viele meiner Menschen, Juden, Christen, Muslime, die sagen, gerade nach dem 7. Oktober ist ja das Leben komplett zusammengebrochen. Da waren wir der Konzertsaal, die Kirche war bummvoll, und da saßen eben die Juden mit Kippa, die Muslima mit Kopftuch und die verschiedensten christlichen Mönche, Kopten, Syrer, Franziskaner, alle gut erkennbar. Und dann habe ich auch am Anfang gesagt, das ist eigentlich auch ein Zeichen. Wir können momentan nicht miteinander reden. Momentan fehlt vielen die Kraft, auf das Leid der anderen Seite zu schauen. Wir können aber schon gemeinsam hier in der Dormitio zusammensitzen und gemeinsam Musik hören. Unser Auftrag als Christen ist es, glaubwürdiger Christ zu sein, auch in diesem Krieg.

Direkt damit verbunden, auf welcher Seite stehen sie links? rechts? Es gibt nur ja oder nein.

Schnabel: Exakt, ich bin weder pro Israel noch pro Palästina. Ich bin pro Mensch, und das ist es nicht nur meine Privatmeinung als Nikodemus, sondern es ist wirklich die Meinung der katholischen Kirche vor Ort, und ich würde sogar sagen, der Christen. Der 7. Oktober war für uns als katholische Kirche eine Katastrophe. Vier meiner Glaubensgeschwister wurden ermordet durch die Hamas, es wurden auch Gläubige entführt nach Gaza, sie sind mittlerweile wieder frei, es wurden Gläubige verstümmelt. Und in Gaza - Stand heute - gibt es 36 getötete Christen, palästinensische Christen durch die israelische Armee. Menschen töten Menschen, und Menschen sterben durch Menschenhand, momentan verliert die Menschheit, und das ist Aufgabe von allen religiösen und gerade von uns Christen, das klarzumachen. Es geht hier darum, jedes Menschenleben, was gerade vernichtet wird, ist eines ist zu viel, und wir müssen wirklich die Heiligkeit des menschlichen Lebens hier nochmal sehr stark betonen.

Glauben sie noch an Frieden, an die Kraft des Gebetes?

Schnabel: Absolut! Das ist mein Osterglaube, und jetzt wird es nämlich ernst. Mein Osterglaube sagt mir, wo wir Menschen nur Tod, Vernichtung, Hass, eine schwarze Wand, Vernichtung sehen, kann Gott neues Leben, Versöhnung, Frieden und neuen Anfang schenken, und das ist mein tiefer Glaube.

 Das Interview führte Klaus Böllert. Redaktion: NDR

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NDR Info | Gott und die Welt - der Podcast | 20.07.2024 | 08:25 Uhr

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