Der Schauspieler Markus Majowski © Anatol Kotte Foto: Anatol Kotte

Majowski: "Ich falle oft in ein Tal, habe aber einen Anker"

Stand: 07.12.2023 12:00 Uhr

Markus Majowski ist Schauspieler, Komiker und Buchautor. Seit einigen Jahren spricht er öffentlich über seine Depressionen und sein Suchtproblem. In der Corona-Pandemie hat er eine Ausbildung gemacht und verkauft seitdem auch Alarmanlagen.

Ist die Schauspielerei weiterhin Ihre Berufung?

Markus Majowski: Als Kind und Jugendlicher habe ich meine Mitmenschen, meine Freunde und meine Familie, zum Lachen gebracht, indem ich ihnen den Spiegel vorgehalten habe. Könnte also durchaus sein, dass es eine Berufung ist.

Berufung heißt, dass Sie das auch mit Gott in Verbindung bringen?

Majowski: Richtig, weil es ein Geschenk und eine Gabe ist, die ich hochschätze, versuche zu pflegen, achtsam zu behandeln. Ja, und das heißt damit verantwortungsbewusst umzugehen.

2020 haben Sie eine handwerkliche Ausbildung angefangen? Was war der Auslöser dafür?

Majowski: Das war 2020, als die Corona-Pandemie begann. Bei uns in den Künstlerkreisen haben wir schon mehr oder weniger geahnt, was auf uns zukommt. Für mich war es so, dass absehbar war, nicht mehr auf der Bühne stehen zu können, nicht mehr so viel zu drehen. Und da habe ich gesagt, mit der Langeweile möchte ich lieber nicht umgehen. Ich baue vor und habe also meine Bewerbung schon im Februar rausgehauen, über Facebook, auf eine Annonce geantwortet. Und als ich mich dann in der Firma für Alarmanlagen, Installation und Verkauf vorgestellt habe, da haben die gedacht, es ist versteckte Kamera. Und die stellten die Frage: Ja, was ist denn hier los? Sie können doch nicht als bekannter Künstler hier malochen, bei uns und so weiter. Für sie wird kein roter Teppich ausgelegt. Bei uns müssen Sie auf die Leiter. Und so habe ich dann gesagt: Das ist bestimmt nicht einfach. Aber ich mache das gerne. Ich möchte gerne mal wieder etwas Bodenständiges machen. Und in Corona nicht rumsitzen.

Hat das Finanzielle dabei auch eine Rolle gespielt?

Majowski: Absolut. Es ist ein gut bezahlter Job gewesen. Ich war in der Firma angestellt. Ich habe es auch gebraucht, sozusagen die Rücklagen, die wir als Familie bilden müssen, die brauchen wir für das Studium meines Sohnes. Und ich wollte nicht mit meiner kleinen Bühnen- und Filmfirma in die in die Schieflage geraten. Und deswegen habe ich gesagt, ich lege mir ein Polster zu.

Mit was für Gefühlen war dieser Schritt damals für Sie verbunden?

Majowski: Einmal war ich ganz dankbar dafür, etwas Handwerkliches zu machen, weil ich meinen Vater immer bewundert habe, den Heinrich Majowski, der war Cellist bei den Berliner Philharmonikern unter Herbert von Karajan. Und der konnte so unheimlich viel mit seinen Händen machen, also nicht nur den Bogen halten und die Seiten drücken, sondern der war handwerklich sehr begabt. Und ich war sehr dankbar, dass ich etwas Handwerkliches machen konnte. Ich bin da nämlich von Natur aus nicht so sehr begabt - ich habe so Patschehändchen. Mein Papa hat mich auch immer darauf hingewiesen. Und er hat mir schon als Junge hinters Ohr geschrieben: Da müssen wir ein bisschen dran arbeiten. Da war das für mich wie so eine Aufgabe. Und dann, als ich es getan habe, eine Erleichterung, dass ich jetzt sozusagen das, was mein Papa mir beigebracht hatte, an Bodenständigkeit, dass ich das eben auch beruflich mal umsetzen konnte.

Ja, sie sprachen ja auch von Erdung. Heißt das, dass ihnen die Arbeit auch mental ganz gutgetan hat?

Majowski: Absolut. Das ist so. Wir haben alle schon mal andere Jobs gemacht. Wenn man von der Arbeit wieder nach Hause kommt und etwas mit den Händen getan hat, dann ist es eine andere Art von Erschöpfung am Abend, eine andere Art von Zufriedenheit. Es ist ein großer Unterschied zu künstlerischen Tätigkeiten, die jeden Tag Applaus bekommen, jeden Tag das Ego pflegen, den Narzissmus nähren und die Nähe zu Gott verringern. Und je mehr sich das Ego aufbläst, desto schwieriger wird eigentlich die Kommunikation - glaube ich - zu unserem Schöpfer oder unserer Schöpferin. Und, mein Erschöpfungsgrad war dann am Abend so, dass ich auf eine ganz andere Art und Weise auch gebetet habe.

Dann ist das sozusagen ein Plädoyer für das Handwerk von Ihnen …

Majowski: Ja. Es ist so, als ich ursprünglich meinen Beruf auch mal begonnen habe, war ich im ersten Jahr an einem Theater, wo ich auch alles selbst bauen musste. Ich war in einem der kleinsten Theater in Deutschland, in Dinkelsbühl, habe Bühnenbilder gebaut, genäht, Lastwagen gefahren. Also, ich richte mein Leben ohnehin schon ein bisschen danach aus.

Seit einigen Jahren sprechen Sie öffentlich über ihren christlichen Glauben, auch in diesem Buch. Warum machen Sie das öffentlich?

Majowski: Ich habe mein erstes Buch, das autobiografische Züge hatte, deswegen geschrieben, weil ich dankbar bin, dass ich überlebt habe. Dass ich meine Drogensucht überlebt habe, dass ich wieder mit beiden Beinen im Leben gestanden bin. Und deswegen ist es eben auch einfach das, was wir gerade besprochen haben - diese Verbindung zu Gott, zu meinem Schöpfer oder meiner Schöpferin - ich möchte niemanden auf den Schlips treten - diese Verbindung ist so stark. Er hat mir einfach den Hintern und mein Leben gerettet. Und deswegen schreibe ich darüber und berichte meine Lebensgeschichte, um anderen Mut zu machen.

Hat sich Ihr Glaube verändert, jetzt durch die veränderten Lebensumstände?

Majowski: Ich bin krank geworden in den letzten Jahren. Ich hatte einen kleinen Herzklabaster und musste auf Kur gehen, habe zu viel gearbeitet. Das heißt, ich bin wieder mal über die Ziellinie hinausgeschossen, wie so oft in meinem Leben und musste mich erst mal wieder richtig einpendeln. Und da hat sich mein Glaube noch mal verändert. Er wurde auf die Probe gestellt. Ich habe nicht begriffen, warum ich es nicht schaffe, in meiner Gottverbundenheit eine Stringenz in meinem Leben zu haben. Eine Achtsamkeit auch gerade, was mein Gewicht angeht. Und dann habe ich festgestellt der Spruch stimmt: Glaube ruhig an Gott, aber deine Pferde losbinden oder anbinden musst du schon selbst.

Und wie binden sie jetzt ihre Pferde an oder los?

Majowski: Es ist so, dass mein Glaube sich ein bisschen dahin verändert hat, dass ich noch mehr zu mir selbst stehe. Ich bin jetzt nicht mehr so verzweifelt, dass ich übergewichtig bin und dass das mit dem Herzklabaster passiert ist. Ich nehme das alles als Zeichen und bastele nicht so sehr an mir rum, sondern sage mir, es ist jetzt okay, gib dir auch selbst eine Anerkennung, klopfe dir mal auf die Schulter. Der liebe Gott hat dich lieb, und es soll so sein und es ist einfach auch vorherbestimmt. Dein Weg ist in guten Händen. Dein Leben ist in guten Händen. Ich versuche mich eben mit diesem Gottvertrauen über Wasser zu halten.

Das bedeutet, dass Sie sich jetzt ein bisschen besser selbst annehmen können …

Majowski: Ja, weil ich nicht mehr so viel an mir rumbastele. Ich nehme ich mich an, aber es ist leider Gottes auch mit Ausschlägen verbunden. Es ist schwer, darüber zu reden, ich bin da immer sehr nah am Wasser gebaut. Es ist immer noch der Raum da, für Depressionen, für Ängste, für minderen Selbstwert. Ich falle oft in ein Tal hinein, aber ich habe eben einen Anker, einen Leuchtturm und versuche dann einfach die helfende Hand, die mir entgegengestreckt wird, zu nehmen. Es ist nicht vorbei mit den Abgründen und auch nicht mit meiner Depressivität. Die bleibt, das ist eine Krankheit. Damit muss ich leben und werde versuchen, so lange wie möglich damit zu leben.

Was ist Ihr Trost und ihre Hoffnung, Herr Majowski?

Majowski: Mein Trost und meine Hoffnung sind, dass ich, auch wenn ich eine Krankheit habe, die vielleicht nicht endgültig zu besiegen ist, das ist die Sucht, soll alles so sein, wie es ist. Obwohl ich abstinent lebe - am 4. August dieses Jahres war ich 15 Jahre abstinent, ist es so, dass das eben nicht weggeht. Ja, es soll alles so sein, wie es ist. Ich kann Verantwortung für meine Genesung übernehmen. Für meine Krankheit muss ich keine Verantwortung übernehmen. Ich kann das abgeben. Meine Hoffnung ist die, dass die Sachen, die ich während meiner Krankheit schlimm angerichtet habe, dass die mir Gott verzeiht. Das ist meine Hoffnung. Ich bitte um Vergebung und versuche, es einfach in der Gegenwart besser zu machen.

Vielen Dank, Herr Majowski. Danke für Ihre ehrlichen. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben.

Majowski: Sehr, sehr gerne.

Das Interview führte Susanne Richter. Redaktion: NDR

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Gott und die Welt - der Podcast | 02.12.2023 | 07:40 Uhr

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