Kolumne: "Wunderbare Vielfalt"
Schon wieder auf die Figur angesprochen - das kann nerven. Grünen-Politikerin Ricarda Lang hat Bodyshaming am eigenen Körper erlebt. Aber warum nehmen wir diese Äußerlichkeiten bei uns oder anderen so wichtig?
"Hast du abgenommen?" Meine Nachbarin hat mich wegen einer Reise längere Zeit nicht gesehen. "Nee, der dunkelblaue Pullover macht eben eine gute Figur", lautet meine Antwort. Bei ihr stört es mich nicht, wenn sie mich mal auf ein Kilo mehr oder weniger anspricht. Bei anderen fände ich es grenzwertig und übergriffig.
Ricarda Lang: Gemobbt wegen der Figur
Warum nehmen wir es so wichtig, wie jemand aussieht? Mir steht noch lebhaft vor Augen, wie die ehemalige Grünen-Chefin Ricarda Lang in den Medien wegen ihrer Figur gemobbt wurde. Als ob Kompetenz von Äußerlichkeiten abhängen würde. In einem Interview beschreibt sie die feindselige Einstellung gegenüber dicken Menschen in unserer Gesellschaft. Man unterstellt ihnen Disziplinlosigkeit und traut ihnen weniger zu als Model-Typen. Schade, denn damit entgehen uns viel Kompetenz und Begabungen, die wir dringend brauchen.
"Es geht um Respekt im Umgang miteinander"
Übergewicht kann zu gesundheitlichen Problemen führen. Das an sich reicht ja schon. Aber darf man Menschen deshalb stigmatisieren und angreifen? Disziplinlosigkeit zu unterstellen, ist einfach. Es könnte doch zum Beispiel auch eine Krankheit dahinterstecken. Bei diesem Thema hätten Gleichstellungsbeauftragte vermutlich auch viel zu tun - bei dem ehemaligen grünen Außenminister Joschka Fischer regte sich kaum jemand auf, als er abnahm, joggend durch den Park lief und dann wieder irgendwann an Gewicht zulegte. Ricarda Lang hat inzwischen aus gesundheitlichen Gründen etliche Kilo abgenommen und wünscht sich, dass Körper und Aussehen in unserer Gesellschaft keine Rolle mehr spielen. Es geht um Respekt im Umgang miteinander. Das sehe ich genauso.
Eine Frau aus meiner Gemeinde hat einen schönen Satz zu diesem Thema parat: "Der liebe Gott hat einen großen zoologischen Garten geschaffen. Da ist für alle Platz." Und damit meint sie die wunderbare Vielfalt, die sie bei uns Menschenkindern feststellt. Bei Gott sind wir alle gleich, auch wenn wir unterschiedlich aussehen.
Kreuz, Herz oder Anker? So heißt die Kolumne der Kirche im NDR. Jede Woche vergeben die Radiopastor:innen und Redakteur:innen ein Kreuz für Glauben, ein Herz für die Liebe oder einen Anker für das, was hoffen lässt.