Kolumne: "Gehen oder bleiben?"
Fröhliche Gemeinschaft und faire Diskussionen - so hat Marco Voigt den Kirchentag Anfang Juni in Nürnberg erlebt. Für ihn ein Beispiel, wie Kirche sein und sich entwickeln kann.
"Gehen oder bleiben?" - das ist in dieser Woche das Thema beim NDR. Er hat die hohen Austrittszahlen zum Anlass genommen und die Menschen gefragt: Warum haben Sie die Kirche verlassen, beziehungsweise was lässt Sie auch weiterhin in der Kirche bleiben? Im Radio, im Fernsehen und auch online haben Viele ganz persönliche Antworten darauf gefunden.
Und auch ich habe mich gefragt: Was lässt mich Mitglied der evangelischen Kirche sein und warum arbeite ich als Pastor? Ich habe nicht lange nachdenken müssen, denn ein sehr schönes Erlebnis ist erst drei Wochen her: Der Kirchentag in Nürnberg. Fröhliche und kritische Menschen habe ich dort erlebt.
Fröhliche Gottesdienste, Segen und Gebet
Ich habe neben Christinnen und Christen gesessen, die morgens zuerst Markus Söder zuhörten, wie er in einer Bibelarbeit über die Geschichte von Josef aus dem 1. Buch Mose sprach. Danach blieben wir gleich sitzen, um zu erleben, wie Robert Habeck mit Carla Hinrichs von der Letzten Generation darüber diskutierte, welche Art von Protest dem Klimaschutz nützt und welche nicht. Jeder hat den anderen ausreden lassen. Es gab keine Polemik und keinen Hass, sondern ehrliches Zuhören und Verstehenwollen.
Später haben wir miteinander in einem fröhlichen Gottesdienst, in dem sogar getanzt wurde, miteinander das Abendmahl gefeiert. Wer wollte, konnte sich auch segnen lassen. Und jeder Tag klang aus mit Gebet, Musik und Kerzenschein. Ein guter Geist war in der Stadt.
In der Kirche darf jeder Mensch so sein, wie er ist
Im Schlussgottesdienst machte Pastor Quinton Ceasar dann in seiner Predigt Rassismus zum Thema, den es leider auch innerhalb der Kirche immer noch gibt. Er löste damit eine Welle aus: Jubel und Zustimmung auf der einen Seite, aber leider auch Rassismus und Hass bis hin zur Todesdrohung auf der anderen. Und die Kirche, in der ich Mitglied bin und für die ich arbeite, hat sich hinter Quinton Ceasar gestellt und jede Form von Hass klar verurteilt.
Das mag ich an meiner Kirche und darum bin ich mit dabei: Wir gehen fair miteinander um - auch über Meinungsunterschiede hinweg. Jeder Mensch darf hier so sein, wie er ist. Und wenn einer angegriffen wird, steht die Gemeinschaft für ihn ein. Erlebnisse wie diese wünsche ich mir noch viel mehr. Auch im Alltag. Und ich arbeite gern dafür, dass es so kommt.
Kreuz, Herz oder Anker? So heißt die Kolumne der Kirche im NDR. Jede Woche vergeben die Radiopastoren und Redakteure ein Kreuz für Glauben, ein Herz für die Liebe oder einen Anker für das, was hoffen lässt.