Kolumne: "Ratlos ja, hilflos nein"
Das Beste, was sie in Deutschland kennengelernt habe, seien die Tafeln, erzählt eine Ukrainerin Klaus Böllert. Jede Möglichkeit, anderen Menschen zu helfen, tut der eigenen Seele gut.
Ich sitze Victoria gegenüber. Die Ukrainerin wohnt jetzt mit ihrer Mutter im Pfarrhaus der katholischen Kirche in Mölln. Wo sie denn herkomme, frage ich. Aus Mariupol. Dieser Name allein reicht, damit ich erschrocken schaue und Victoria Tränen in die Augen schießen. Die Hafenstadt liegt im Osten der Ukraine, war lange wegen des umkämpften Asow-Stahlwerkes in den Nachrichten und ist heute von Russland besetzt. Ob sie sich vorstellen könne, jemals zurückzukehren, frage ich vorsichtig. Aber wohin, antwortet Victoria, denn ihr Zuhause existiert nicht mehr.
Der Krieg bringt Grausamkeiten mit sich, von denen ich niemals dachte, dass sie in Europa noch möglich sind. Ich bilde mir nicht ein, dass ich die Trauer, den Horror, die Angst der Menschen im Krieg auch nur ansatzweise nachvollziehen kann. Und wie viele andere bin ich ratlos, wie wieder Frieden werden kann.
Denen helfen, die unter dem Krieg leiden
Aber meine Gespräche mit Ukrainerinnen für die Sendungen der Radiokirche machen mir auch immer wieder deutlich: Ganz hilflos sind wir nicht. Jedes Mal erzählen mir die Frauen von der Hilfsbereitschaft, die sie erfahren. Viele Menschen haben ein Zimmer zur Verfügung gestellt. Ukrainische Kinder, die jetzt hier zur Schule gehen, werden zu Geburtstagen eingeladen. Die Caritas im Norden hat gerade den neunten Hilfstransport mit 5.000 Decken nach Lwiw im Westen der Ukraine geschickt.
Spenden ist gut und richtig und hilft. Mir persönlich tut es gut, wenn ich handfest anpacke. Und da gibt es Möglichkeiten. Ich will nur eine nennen, weil Victoria in Mölln mir gesagt hat, dass die Tafeln das Beste sind, was sie in Deutschland kennengelernt hat. Die Tafeln brauchen Hilfe, um zu helfen. Ich kann schlicht losgehen und haltbare Lebensmittel besorgen, Konservendosen, Mehl, solche Sachen. Auch Kinder können mitmachen. Und dann die Sachen zur Tafel fahren. Das ist wichtig und tut gut.
Ich kann nichts tun, was den Krieg beendet. Aber denen helfen, die unter ihm leiden.
Kreuz, Herz oder Anker? So heißt die Kolumne der Kirche im NDR. Jede Woche vergeben die Radiopastoren und Redakteure ein Kreuz für Glauben, ein Herz für die Liebe oder einen Anker für das, was hoffen lässt.