Kolumne: "In Neuanfängen liegt immer auch eine Chance"
Die Fastenzeit bietet ein gutes Übungsfeld für Neuanfänge. Darin liegen Chancen und neue Kraft. Mit Ostern endet die christliche Fastenzeit, mit einer zarten und zögerlichen Hoffnung.
Gestern war ich das erste Mal in meinem neuen, alten Büro. Seit dem ersten April arbeite ich bei der Radiokirche in Kiel. Wieder. Ich muss lächeln, als ich auf dem alten Schreibtisch meine Stifte-Tasse mit dem orange Kugelschreiber und dem etwas abgenagten Bleistift entdecke. Ganz vertraut. Und doch ist vieles neu, in manches muss ich erst wieder reinwachsen.
Neu anfangen ist jedes Mal richtig schwer
Neu anfangen, wieder anfangen. Die Fastenzeit - sieben Wochen vor Ostern - bietet dafür ein gutes Übungsfeld, finde ich. Und denke an eine Freundin: "Wir brechen jeden Sonntag das Fasten", hat sie mir erzählt "und starten Montag neu wieder durch." Sie fastet Alkohol, ihr erwachsener Sohn Social Media. Wow, denke ich, was für ein befreiender Blick auf das Ganze. Ich habe das Fasten auch schon gebrochen. Konnte ich immer gut begründen, hatte immer ein schlechtes Gewissen und das neu anfangen war jedes Mal richtig schwer: Was, wenn ich es wieder nicht schaffe, die halbe Schokolade lauert ja noch in der Schublade.
Im Neuanfang liegt immer eine Kraft
Manchmal lässt sich neu anfangen planen, manchmal nicht. Aber immer liegt im neu anfangen eine Chance und eine neue Kraft. Vor allem, wenn man gemeinsam unterwegs ist. Die einen erzählen mir zum Beispiel, wie es ihnen beim Fasten ergeht, was nicht klappt und warum sie trotzdem weiter machen. Die anderen haben vielleicht eine Idee, wie es nach einem Abend voller schlechter Nachrichten gelingt, am nächsten Morgen mit neuem Mut aufzustehen - nur eine Stunde am Tag Grübeln, ungeplante Spaziergänge.
Die kirchliche Fastenzeit läuft auf Ostern zu
Immer wieder neu anfangen, immer wieder versuchen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Das ist für mich die Kernbotschaft der Fastenzeit, hab' ich gestern gedacht, als ich an dem neuen alten Schreibtisch saß. Gut, dass es in der christlichen Tradition Rituale dafür gibt. Die kirchliche Fastenzeit läuft auf Ostern zu: neues Licht, neues Grün, neues Hoffen, das oft zart und zögerlich daherkommt. Und immer neu geübt werden kann.
Kreuz, Herz oder Anker? So heißt die Kolumne der Kirche im NDR. Jede Woche vergeben die Radiopastoren und Redakteure ein Kreuz für Glauben, ein Herz für die Liebe oder einen Anker für das, was hoffen lässt.
