Kolumne: "Ein Neuanfang braucht Segen"
Nach einem harten Ende ist es wirklich nicht einfach, einen Einstieg in einen neuen Lebensrhythmus zu finden, einen Neuanfang zu wagen. In der Zone zwischen Ende und Anfang braucht es darum richtig viel Segen, sagt Pastorin Susanne Richter.
"Für Gottes Segen wird manchmal die ganze Nachbarschaft gebraucht: Alle guten Geister, Engelszungen und Schutzenge sind da gefragt." Ich finde ja: Neuanfänge werden öfter mal idealisiert. Und Hesse ist schuld. Er hat mit dem Gedicht "Stufen" zumindest meine Erwartungshaltung völlig in die Höhe gepusht: "Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben."
Seitdem ich dieses Gedicht kenne, warte ich immer auf wunderbaren Zauber bei Neustarts in meinem Leben. Leider stellt sich bei mir statt rosa Kribbeln öfter eine Mix-Packung an Gefühlen ein. Manchmal neigt meine Erlebniswelt sogar in Richtung der Redewendung "aller Anfang ist schwer". Denn einem Anfang folgt ja auf ein Ende. Und sowas muss man auch erstmal verkraften. Wenn jemand stirbt, sei das objektiv auch ein Anfang, hab ich gelesen. Egal, welche Gefühle wir damit verbinden. Es ist der Anfang des Lebens ohne diesen verstorbenen Menschen. Vom Kopf her konnte ich dem zustimmen. Vom Bauch her nicht.
Wertschätzen von dem, was war
Mag ein Ende mit etwas Abstand betrachtet auch ein Anfang sein. Subjektiv erlebt sind meine Erfahrungen von Ende oft wirklich reines Ende ohne gefühlten Anfang gewesen. Als bei mir einmal eine langjährige Freundschaft kaputt gegangen ist, war bei mir die Stunde null. Allen, die mir da etwas über Neuanfänge erzählt hätten, wäre ich ins Gesicht gesprungen.
Zwischen Ende und Anfang ist noch etwas: Ein Raum jenseits der Zeit. Bei Todesfällen wird darum in einigen Kulturen auch die Uhr angehalten. Das Leben geht tatsächlich für einen Moment nicht weiter und die Menschen tragen Schwarz, die Un-Farbe. Es gibt Fälle, da braucht es nur ein kurzes Innehalten zwischen Ende und Anfang. Ein Wertschätzen von dem, was war. Manchmal, bei schlimmer Trauer, müssen wir aber wirklich schmerzhaft etwas Loslassen und zu Grabe tragen. Dafür braucht es eine Schutzzone vor dem nächsten Anfang. Vor Ansprüchen, es müsse jetzt aber mal wieder langsam weitergehen.
Gute Geister, geduldige Engelszungen und Schutzengel sind gefragt
Nach einem harten Ende ist es wirklich nicht einfach, einen Einstieg in einen neuen Lebensrhythmus zu finden, einen Neuanfang zu wagen. In der Zone zwischen Ende und Anfang braucht es darum richtig viel Segen: Alle guten Geister, geduldige Engelszungen und Schutzengel sind in dieser Phase gefragt. Sie müssen nachdrücklich Mut machen, Tränen abwischen, Proviant schmieren und ins Leben locken. Bei diesem göttlichen Segen wird manchmal die ganze Nachbarschaft eingespannt. Und manchmal rutschen wir so wirklich unerwartet unverhofft in einen neuen Anfang hinein.
Kreuz, Herz oder Anker? So heißt die Kolumne der Kirche im NDR. Jede Woche vergeben die Radiopastor:innen und Redakteur:innen ein Kreuz für Glauben, ein Herz für die Liebe oder einen Anker für das, was hoffen lässt.