Kolumne: "Danke für die Pause, Fußball!"
Die Fußball-EM schenkt unserer Gesellschaft eine Pause. Klaus Böllert hofft, dass wir danach weiter über all die wichtigen und kontroversen Themen reden – aber in anderer Atmosphäre.
Sonne und Fußball. Mehr braucht es nicht für eine andere Stimmung im Land. Es gibt ja kein Problem, das kleiner geworden ist in den vergangenen Wochen. Der Krieg in der Ukraine tobt mit unveränderter Grausamkeit, in Gaza sterben Menschen, die Ergebnisse der Europawahl sind immer noch dieselben. Es gibt weiter Wohnungsnot und den Klimawandel. Lauter Probleme, um die man sich sorgen kann und vielleicht auch sollte, wo man um die besten Lösungen ringen muss. Im Augenblick interessieren mich andere Fragen mehr: Wer gewinnt und wer verliert? Abseits oder nicht? Gelbe Karte? Wer wird das Finale erreichen?
Darf das sein? Darf ich erst einmal um die ausgeschiedenen Schotten weinen? Mehr gespannt sein auf das Viertelfinale als auf die Ergebnisse des Koalitionsausschusses? Na klar, denn weder Krieg noch Wohnungsnot enden, wenn ich mir dauernd Sorgen darum mache.
"Liebe oberste Regel bei der geschwisterlichen Zurechtweisung"
Und ich verbinde damit eine Hoffnung. Wir streiten uns sehr selten in der Familie. Aber wenn, dann tut es gut, sich mal aus dem Weg zu gehen, vielleicht eine Nacht zu schlafen und dann in Ruhe zu reden. Vielleicht ist der Streitpunkt immer noch nicht geklärt, aber wir reden anders. "I say it with love", hat Michael Jackson einmal zu seinen Musikern gesagt, bevor er sie kritisierte. So in etwa. Oder Papst Franziskus, der sagt, dass die Liebe die oberste Regel bei der geschwisterlichen Zurechtweisung ist, wenn man sich auf Fehler aufmerksam macht.
Meine Hoffnung ist, dass wir in der Gesellschaft durch die Fußball-EM eine Pause geschenkt bekommen und danach weiter über all die wichtigen und kontroversen Themen reden – aber in anderer Atmosphäre. Es muss ja nicht gleich Liebe sein, mehr Ruhe und Höflichkeit würden mir erst einmal reichen.
Der Fußball schenkt uns eine Pause. Danke dafür. Um es mit den Worten von Lotto King Karl zu sagen: "Denn es könnt' alles schlimmer werden und das Eine sach ich dir: Es wär' alles noch viel schlimmer ohne Fußball und Dosenbier".
Kreuz, Herz oder Anker? So heißt die Kolumne der Kirche im NDR. Jeden Donnerstag vergeben die Radiopastoren und Redakteure ein Kreuz für Glauben, ein Herz für die Liebe oder einen Anker für das, was hoffen lässt.