Buchstaben formen das Wort Trumpel (Symbolfoto für veränderte Umgangsformen in der Politik) © picture alliance Foto: Christian Ohde

Kolumne: "Anstand ade"

Stand: 13.03.2025 05:00 Uhr

Lügen, abwerten und erpressen. Pastorin Susanne Richter fragt sich: Was passiert eigentlich mit unseren Werten, wenn sich die großen Player der Weltpolitik so über unseren Verhaltenskodex hinwegsetzen?

von Susanne Richter

Kinder lernen, indem sie sich alles von den Großen abgucken. Schon bei uns zuhause beunruhigt mich das, wenn ich auf meine Schokoladensucht und die Unordnung meines Mannes gucke. Dann hoffe ich, dass unsere Kinder das bitte nicht so eins zu eins nachmachen. Aber wenn ich in die Welt nach draußen sehe, bekomme ich es wirklich mit der Angst zu tun. Erwachsene Menschen, die in unserer Welt regieren wollen, pöbeln sich an, werten andere ab und setzen sich über Grundregeln des Zusammenlebens hinweg.

Erwachsene haben oft keinen Vorbildcharakter für Kinder

Im Moment frage ich mich wirklich: Wie soll ich den Kids eigentlich beibringen, dass sie sich nicht gegenseitig bedrohen und voneinander Süßigkeiten erpressen sollen, wenn es im Weißen Haus auch so läuft? Wenn sie erleben, dass so die Welt funktioniert? Wenn sich Kinder so verhalten würden, wie wir es gerade in der Weltpolitik erleben, würden sich hoffentlich irgendwann das Jugendamt, Schulpsychologen oder die Polizei einschalten und Elterngespräche einfordern. Aber was passiert bei den Großen?

Lügen gelten auf einmal als Wahrheit

Ich habe Angst, dass wir uns an diese Zustände gewöhnen! Ich möchte unsere Kinder nicht damit aufwachsen lassen, dass es normal so ist. Dass Lüge auf einmal als Wahrheit gilt. Ich befürchte, dass dann die Ungerechtigkeiten vor unseren eigenen Haustüren dann auch nicht mehr als so erschreckend wahrgenommen werden. Ich will nicht, dass wir uns diesen Ton an- und unsere Werte abgewöhnen.

Werte diskutieren und fest installieren

Susanne Richter © Kirche im NDR Foto: Christine Raczka
"Wir müssen unsere Werte diskutieren und fest installieren", meint Pastorin Susanne Richter.

In den letzten Tagen fühle ich es so deutlich wie nie: Wir müssen diesem Verhalten widersprechen und gegenhalten. Wenn diese Krise für irgendetwas gut sein soll, dann dafür, dass wir unsere Werte diskutieren und fest installieren. Meine Schwester hat mir dazu gerade etwas Hoffnungsvolles erzählt: Bei ihr im Kiez scheint es einen gegenläufigen Trend zu geben. Je aggressiver die Umgangsformen in der Weltpolitik sind, umso mehr Mitgefühl gibt es im Alltag im Supermarkt um die Ecke, hat sie gemeint.

Klingt fast zu schön, um wahr zu sein. So, als wollten sich die Menschen gegenseitig auf die Schulter klopfen und zeigen: Wir kriegen es besser hin. Gerade jetzt. Darauf hoffe ich.

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NDR 1 Radio MV | 16.03.2025 | 07:30 Uhr

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