Kolumne: "Alltagsroutinen"
Füttern, disziplinieren, heilen: Das beinhaltet die Pflege eines Tamagotchis. Aber wie sieht es in der menschlichen Beziehung aus? Da braucht es doch mehr als ein Paar Alltagsroutinen.
"Früher hatte ich ein Tamagotchi. Heute habe ich einen Ehemann", scherzte Tara neulich, eine Freundin von mir. Wir mussten beide so lachen. Weil der Vergleich so herrlich absurd ist, zumindest, weil wir in beiden Fällen an Pflege gedacht haben. "Das Tamagotchi von damals piepte, und dann mussten wir füttern, spielen, saubermachen. Alles musste sofort erledigt werden", erinnert mich Tara. "Und wenn wir nicht aufpassten, war es schnell vorbei. Dann erschien auf dem Display vom Tamagotchi ein kleines Grab mit dickem Kreuz: 'Game Over' war dann zu lesen".
Fehlende Alltagsroutinen, schlechte Stimmung ...
"Und heute ist es irgendwie nicht viel anders", ergänzt sie, denn Tara und ihr Mann haben sich in ihren Alltagsroutinen festgefahren. Es fing mit festen Essenszeiten an, mit Plänen, wann wer den Tisch deckt, und die Spülmaschine ausräumt. Dann wurden die Pläne immer ausgefuchster: jetzt sind jeden Tag zehn Minuten fürs Aufräumen reserviert, zehn Minuten fürs Reinigen der Oberflächen, und der Familienkalender ist voll mit Erinnerungen, wann die Türklinken zu reinigen sind und der Toaster entkrümelt werden muss. Und wehe, die Routinen werden nicht eingehalten. Dann ist gleich die Stimmung im Keller.
Geduldig und wertschätzend mit Menschen umgehen
Heute geht es nicht mehr darum, durch Füttern, schlafen und sauber machen digitale Wesen zu pflegen. Es geht darum, Menschen glücklich zu machen. Es geht darum, respektvoll zu sein, geduldig und wertschätzend. Nur leider fehlt diese Art von Pflege oft in all diesen ganzen familiären Alltagsroutinen.
Dinge einfach mal laufen lassen in der Beziehung
Daher hat Tara mit Ihrem Ehemann besprochen, jetzt zum Jahresanfang: Sie wollen nicht mehr Tamagotchi-artig den Routinen nachgehen und rumpiepsen, wenn mal wer nicht spurt. Stattdessen wollen sie sich gegenseitig mehr Freiraum geben, und dafür auch mehr Freiraum erhalten. Denn Pflege, Beziehungspflege, Familienpflege heißt manchmal auch, die Dinge einfach laufen zu lassen und darauf zu vertrauen, dass das Leben - und die Liebe - ihren Weg finden, ohne dass immer nur dieselben Knöpfe gedrückt werden.
Kreuz, Herz oder Anker? So heißt die Kolumne der Kirche im NDR. Jede Woche vergeben die Radiopastor:innen und Redakteur:innen ein Kreuz für Glauben, ein Herz für die Liebe oder einen Anker für das, was hoffen lässt.