Auf der Hülle eines Schwerbehindertenausweis ist «Schwer-in-Ordnung-Ausweis» zu lesen. © picture alliance /dpa-Zentralbild/dpa Foto: Britta Pedersen

Kolumne: "Vorurteile"

Stand: 30.05.2024 11:30 Uhr

Auch Menschen mit physischer oder psychischer Behinderung können im Ehrenamt tätig sein.

von Klaus Böllert

Ich habe mich ertappt. Auch ich habe Vorurteile. Auch ich urteile zu schnell und bin nicht so offen, wie ich es gerne hätte. Konkret: Ich habe die Ankündigung eines Beitrages gelesen. Im Podcast „Stadt.Land.Segen“ des Erzbistums Hamburg geht es dieses Mal um Menschen mit Beeinträchtigung und das Ehrenamt. Mein Impuls: Da geht es um Hilfen für Menschen mit Beeinträchtigungen. Falsch gedacht. Obwohl das Thema sogar eindeutig ist: Engagement mit Behinderung. Wenn ich dann nachdenke, ist es auch mir klar, dass Menschen mit Behinderung nicht nur Hilfeempfänger sind, sondern selber einiges geben können.

Eine Person mit Behinderung ist nicht immer der Rollstuhlfahrer

Mein zweiter falscher Impuls: Als Bild habe ich sofort einen Menschen im Rollstuhl im Kopf. Eine Behinderung, die ich sehen kann und bei der ich auch schnell eine Ahnung habe, wie ich in manchen Situationen helfen kann. Wie beeinträchtigend aber Schluckbeschwerden sein können bis hin zur richtigen Angst zu essen – davon hatte ich wirklich keine Ahnung. Und dann gibt es ja auch psychisch kranke Menschen, die mit einer Beeinträchtigung leben, die ich nicht sehen kann und bei denen ich erst einmal nicht weiß, ob ich überhaupt helfen soll. Zuhören, aufmerksam sein, langsam machen fällt mir schwerer als schnell anpacken und einem Rollstuhlfahrer eben bei der steilen Rampe helfen.

Seine Vorurteile ehrlich aufdecken und daraus lernen

Was mir noch aufgefallen ist: Ich bin in einem Sportverein engagiert, in einer Kirchengemeinde zu Hause und arbeite beim Erzbistum Hamburg. Menschen mit Behinderung, die engagiert sind, die ihre Sicht und ihre Fähigkeiten einbringen, begegne ich da aber nur sehr selten. Könnte ich auch mal nachfragen, wie das eigentlich sein kann. Denn in Deutschland lebt fast jeder zehnte Erwachsene mit einer schweren Behinderung.

Aber anfangen will ich bei mir. Das heißt zuerst: Ehrlich sein, wahrnehmen, dass ich ein bestimmtes Bild von Menschen mit Behinderung habe. Ich weiß, dass das verletzend sein kann. Deshalb will ich einmal mehr durchatmen, bevor ich urteile. Damit es nicht bei Vorurteilen bleibt, sondern ich dazulerne.

Kreuz, Herz oder Anker? So heißt die Kolumne der Kirche im NDR. Jeden Donnerstag vergeben die Radiopastoren und Redakteure ein Kreuz für Glauben, ein Herz für die Liebe oder einen Anker für das, was hoffen lässt.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | 02.06.2024 | 07:30 Uhr

Ein Herz, Kreuz und Anker aus Silber vor blauem Hintergrund © Kirche im NDR Foto: Christine Raczka

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