Der untere Körper von zwei Frauen in Jogginghosen vor grauem Hintergerund. © fotolia.com Foto: antve, Robert Kneschke

Jogginghose: Symbol für gefangen oder frei sein

Stand: 21.01.2025 10:30 Uhr

"Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren", sagte einst Karl Lagerfeld. Doch viele Menschen liegen das bequeme Beinkleid. Seit 2009 gibt es den Internationalen Tag der Jogginghose.

von Pastorin Sarah Oltmanns

"Ich kann gar nicht hingucken, wie die jungen Leute heute alle Jogginghosen tragen. Denn das war früher unsere Häftlingskleidung", hat Heinz gesagt, als ich bei einer Führung war, in Hohenschönhausen, im ehemaligen Stasi-Gefängnis. Er war dort inhaftiert, weil er Wasserproben genommen hatte, von einem kleinen Wasserlauf, der durch sein Heimatdorf floss, und weil er auch sonst verdächtig erschien. Er hat uns die Zellen gezeigt, Einzelzellen waren das, mit einfachen Pritschen in der Ecke, und es roch furchtbar nach altem Linoleum. Kein guter Ort für Jogginghosen, finde ich.

Rosen auf einem Gartenstuhl © Kirche im NDR Foto: Christine Raczka
AUDIO: Morgenandacht bei NDR 1 Radio MV (2 Min)

"Mit der Jogginghose bin ich frei"

Denn wie liebe ich das, abends meinen Jogger anzuziehen und auf dem Sofa abzugammeln. Da ist es bequem und da kann ich mich richtig gehen lassen. Und da wurde mir plötzlich klar, im Knast in Hohenschönhausen, dass Kleidung mehr ist als nur Stoff. Für Heinz stehen Jogginghosen fürs gefangen sein und für über sich ergehen lassen müssen. Für mich ist es genau das Gegenteil: Mit der Jogginghose bin ich frei und kann machen, was ich will. Es ist ein und dasselbe Kleidungsstück - und hat doch völlig gegensätzliche Bedeutungen.

Jogginghose kann auch schmerzhafte Erinnerungen auslösen

Mich macht das nachdenklich. Wie oft sehe ich nur, was ich fühle oder denke, und nicht, was es etwas für andere bedeutet? Was mir harmlos erscheint, kann für andere total schmerzhaft sein. Der christliche Glaube bietet an, ein neues Gewand anzulegen, im übertragenen Sinne: eines aus Demut und Geduld (Kol 3,12).

Für mich bedeutet es, nicht nur sehen, was mir wichtig ist, sondern auch den Blick für andere zu öffnen - für ihre Geschichten, für ihre Wunden, ihr Leben. Und auch dieses Gewand lässt sich eigentlich überall gut tragen.

Dieses Thema im Programm:

Kirche im NDR | 21.01.2025 | 06:20 Uhr

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