Zamperoni: "Glaube ist die ultimative Form von Zuversicht"
Seit über zehn Jahren präsentiert Ingo Zamperoni mit Unterbrechungen die "Tagesthemen" im Ersten. Darüber hinaus hat er als Korrespondent aus Washington berichtet. Seit 2022 moderiert er im NDR das "Bürgerparlament".
"Bleiben Sie zuversichtlich!" Mit diesem Satz beendet Ingo Zamperoni seit der Corona-Pandemie die Tagesthemen. Warum eigentlich?
Ingo Zamperoni: Man braucht vielleicht etwas Hilfe von außen: Zuspruch. Und das ist das, was ich mit diesem Spruch vermitteln möchte. Ich habe ihn deswegen auch beibehalten, nachdem die Pandemie jetzt vorbei ist, weil ich immer wieder noch von Zuschauerinnen und Zuschauern Zuschriften bekomme, die sagen: 'Ich bin in eine schwere Operation gegangen, mit diesem Satz im Kopf und das hat mir geholfen.' Oder: 'Das hat mir geholfen, dass es brauche ich so als abendliches Ritual.' Und solange ich solche Reaktionen bekomme, behalte ich den Spruch erst mal noch bei.
Also hat es auch etwas Seelsorgerliches von Ihnen, was Sie den Leuten mit in die Nacht geben. So habe ich das verstanden. Das ist gut. Also ich will das gar nicht schlechtmachen …
Zamperoni: Ich will es vielleicht gar nicht so erhöhen oder, dass das der Anspruch war. Aber es ist tatsächlich in diese Richtung geraten, für manche, für viele. Und wenn es auch nur einen erreicht, dem dass dann abends vielleicht leichter fällt, einzuschlafen oder so ein bisschen durch eine durch ein tiefes Tal zu gehen, dann freue ich mich, dass ich da so einen kleinen Beitrag leisten kann.
Einmal andersherum gefragt: Haben Sie das schon mal erlebt, dass sie selbst ihre Zuversicht mal verloren hatten?
Zamperoni: Ja, im Kleinen schon hier und da, wenn mal etwas nicht so geklappt hat, wie ich es geplant habe oder gedacht habe, wie sollen das werden. Im Großen ehrlich gesagt, aber nicht so ganz, weil ich immer viele glückliche Momente im Leben gehabt habe, und die Anderen mir gezeigt haben: Ach, das wird schon irgendwann - auch Regenschauer ist irgendwann mal vorbei.
Und wie ist es also, wenn Sie jetzt richtig schlimme Nachrichten besprochen haben bei den Tagesthemen? Wie gehen Sie damit um? Gibt es etwas, das manchmal ihre Zuversicht in Frage stellt?
Zamperoni: Durchaus. In Frage stellen tut es das häufig und auch ständig. Aber letztlich hilft mir dabei eine gewisse professionelle Distanz, die man als Journalist zu Nachrichten haben sollte. Die Zuschauerinnen und Zuschauer interessiert ja im Prinzip nicht, wie ich mich fühle, wenn ich eine furchtbare Nachricht vortrage. Und natürlich sollte man nicht empathielos und es einem egal sein. Ich orientiere ich mich da immer ein bisschen so an dem Satz eines Vor-Vor-Vor-Vorgängers von Hajo Friedrichs bei den Tagesthemen, der sagte: 'Die Kunst ist cool zu bleiben, ohne kalt zu sein, also eine gewisse Distanz zu wahren und das ist nicht zu sehr an sich ranzulassen.' Und das fällt nicht immer leicht, und es erreicht mich manchmal nach der Sendung auf dem Heimweg oder am nächsten Tag noch einmal. Aber in der Sendung in dem Moment schaltet sich dann auch automatisch eine gewisse Distanz ein. Und dann ist es der Job, die rüberzubringen, ohne sich in Tränen aufzulösen.
Wissen Sie was? Ich glaube nicht, dass das die Zuschauerinnen und Zuschauer nicht interessiert. Ich glaube, es wäre echt mal gut zu hören, wie man das schaffen kann, sich weiterhin zu informieren und trotzdem das Herz weit zu lassen. Also ich habe mit Gundula Gause mal darüber gesprochen. Und sie hat gesagt, dass sie nach schlimmen Nachrichten manchmal tatsächlich eine Fürbitte spricht. Ich kenne ganz viele Leute, die wirklich keine Nachrichten mehr gucken können, weil sie es einfach nicht mehr aushalten und sich gleichzeitig schlecht dabei fühlen. Und ich glaube, das wäre echt gut, mal zu hören, wie machen das die Profis?
Zamperoni: Ja, ein Stoßgebet oder Gedanken an Betroffene, das kenne ich von mir auch. Ich kann das gut nachvollziehen, dass Menschen so eine News Fatigue, wie es heißt, haben. Das sie sagen, bei all dem, was er in den letzten Jahren unter derzeit so passiert, der Krieg gegen die Ukraine, die Inflation, die Corona-Pandemie, die ganze Klima-Erwärmung und all das, was dann noch auf uns zukommt. Da ist schon genug Grund zu sagen, ich stecke jetzt mal den Kopf unter die Decke und will überhaupt nicht mehr rausgucken. Ich glaube, eine Realitätsverweigerungshaltung ist natürlich für einen Nachrichtenjournalisten kein richtiger Angang, aber ich kann das nachvollziehen. Und vielleicht habe ich auch so eine natürliche Schutzhaltung, wenn man so will, dass ich manches auch nicht so oder nicht so ranlasse, dass sich da darüber dann quasi zerbreche oder zerfließen würde, weil ich diesen Job eben nicht weitermachen könnte.
Oder sie haben so die Zuversicht, dass es gut enden wird …
Zamperoni: Das ist tatsächlich wahrscheinlich der richtige Angang oder die Erkenntnis. Ich glaube, ich habe so einen Grundoptimismus oder Grundzuversicht. Und bei der Pandemie kulminierte das in diesem Satz, wo ich dann sagte: Okay, das ist zwar jetzt schlimm für uns alle, und es betrifft jeden von uns. Aber irgendwie schafft man es, da durchzukommen. Und diese Zuversicht glaube ich, dass es irgendwie schon, wenn auch mit Schrammen und heftigen Macken, irgendwie doch durchs Ziel gehen wird. Und ich glaube, das hilft.
Würden Sie sagen, Zuversicht hat auch was mit Glauben für sie zu tun?
Zamperoni: Glaube ist die ultimative Form von Zuversicht. Denn man hofft ja, dass danach irgendwie was ist oder dass das nicht alles ist, dass man nicht allein ist in diesem Universum. Und ich glaube, das ist quasi die ultimative Wette. Auf das es schon gut ausgehen wird. Und wenn man da glaube ich verankert ist in einem Glauben, dann hilft einem das ungemein, diesen Schritt zu gehen, auch wenn die Umstände dagegensprechen und da Zuversicht nicht zu verlieren.
Welche Rolle spielen für sie Glaubensinstitutionen für Sie?
Ich komme aus der katholischen Kirche, und die hat ja nun was weiß Gott genug Schwierigkeiten in letzter Zeit. Ich glaube, grundsätzlich helfen Institutionen, Glaubensinstitutionen, religiöse Institutionen vielen Menschen einen Anker, einen Rahmen zu geben und sich auch in dem einzulassen - auf Zuversicht, wenn man so möchte. Und deswegen spielen sie eine unheimlich wichtige Rolle, sei es jetzt einfach durch das Karitative, das Engagement und als wichtige Anlaufstelle, als Trostspender auch in gewisser Weise. Und sie können Zuversichts-Orte und Zuversichts-Spender sein. Die Tatsache, dass dieser Anlaufpunkt auch erschüttert, ist für viele Menschen und viele Austritte auch in der Kirche stattfinden, spricht dafür, dass im System vielleicht etwas nicht stimmt. Aber grundsätzlich von der Ausrichtung … ich glaube, sonst gäbe es Religion auch gar nicht. Und ich glaube, das ist auch das Erfolgsrezept - in gewisser Weise über - Jahrhunderte.
Gibt es so religiöse Rituale, die ihnen persönlich was sagen?
Zamperoni: Da ich in der katholischen Kirche aufgewachsen bin und da, auch wenn man so will, meine religiöse Heimat habe, haben Rituale mich auch immer am meisten fasziniert oder auch so eine Art Geborgenheit gegeben. Diese Rituale, die man auch wiedererkennt. Natürlich, das Sichtbarste ist immer Weihnachten, wenn man so will, die Christmette, aber auch Ostern und religiösen Feiertage. Oder einfach nur in der Kirche sein, wenn Orgelmusik spielt. Ich bin ja häufig in Italien, da sind unheimlich viele wunderschöne Kirchen und Kathedralen. Und wenn man sie sich einfach aus touristischer Sicht auch nur anguckt und dann spielt da eine Orgel, das ist so ein Ritual: vielleicht aus einer Wiedererkennungs-Melodie, die an die Kindheit erinnert. Und das ist schon ein Gerüst, das bei mir irgendwie verankert ist.
Was ist Ihre Hoffnung, Herr Zamperoni?
Zamperoni: Dass man versucht, Schwierigkeiten und Hindernisse und Hürden so gut es geht, anzugehen und versucht zu überwinden. Das wird nicht immer klappen. Und das Scheitern gehört eben dazu. Aber auch, dass man trotz einem Scheitern, in welcher Form auch immer, die Kraft und die Zuversicht findet, weiterzugehen. Ich glaube, dass ist für mich dann Hoffnung.
Es gibt ja auch diesen Satz, das Hoffnung nicht bedeutet, dass alles gut ausgeht. Aber dass es Sinn macht, egal, wie es ausgeht, können Sie damit was anfangen?
Zamperoni: Es ist ein sehr schöner Satz, werde ich mir merken.
Das Interview führte Susanne Richter. Redaktion: NDR