Kirchentag - Protestanten kommen alle zwei Jahre zusammen
Der Evangelische Kirchentag ist eine der größten Ehrenamts-Bewegungen in Deutschland. 1949 fand das Protestantentreffen erstmals in Hannover statt - mit rund 7.000 Teilnehmern.
Ein Gefangenlager am Sibirischen Polarmeer. Stahlblau schimmert das Eis, der Wind singt frostige Lieder. In einer Baracke denkt Reinold von Thadden-Trieglaff über den Krieg nach, das Leben, seine Evangelische Kirche. Für eine demokratische Zukunft braucht die eine starke Bewegung von Ehrenamtlichen in ihrer Mitte. Zurück in Deutschland engagiert sich von Thadden für seine Vision. Im Sommer 1949 ist es soweit. In Hannover soll die Gründungsveranstaltung stattfinden. Er formuliert einen Anruf: "Noch immer wird der Schwache beiseite geschoben. Noch immer wartet die Welt auf den Dienst der Christenheit, auf ihre Tat und ihre Fürbitte."
7.000 Teilnehmer beim ersten Kirchentag in Hannover
Reinold von Thadden-Trieglaff ist nicht irgendwer. Vor dem Krieg gehört der Jurist und Nazigegner zu den prominenten Laien innerhalb der Evangelischen Kirche. Im Sommer 1949 folgen seiner Einladung nach Hannover mehr als 7.000 Dauerteilnehmer - aus West und Ost. Sie kommen aus Dresden, Greifswald, Stuttgart und Kiel, reisen mit dem Rad und der Reichsbahn in die noch vom Krieg gezeichnete Stadt. Mit dabei Pastoren, Bischöfe und vor allem Ehrenamtliche: Frauen, Männer aus den Gemeinden, Jugendliche und Studenten.
Kirchentag - Große Ehrenamts-Bewegung in Deutschland
"Evangelische Woche" heißt diese Großveranstaltung, in Anlehnung an die Laientreffen der evangelischen Opposition im Dritten Reich. Aber Gestalt und Programm ähneln schon sehr den heutigen Protestantentreffen. Politiker sind dabei, Schriftsteller, Journalisten. Es gibt Andachten, Vorträge und ein Motto. Mit dem Slogan "Kirche in Bewegung" gehen diese Tage in Hannover als erster Deutscher Evangelischer Kirchentag in die Geschichte ein. Der damalige Essener Oberbürgermeister Gustav Heinemann verliest die Gründungserklärung - unter großem Beifall.
Die in Hannover vom 28. Juli bis 1. August 1949 versammelten Glieder der evangelischen Christenheit in Deutschland beschließen, einen alljährlichen Deutschen Evangelischen Kirchentag zu konstituieren. Er soll der Zurüstung der evangelischen Laien für ihren Dienst in der Welt und in der christlichen Gemeinde dienen sowie die Gemeinschaft im Weltrat der Kirchen fördern. Margot Käßmann, "Zur Geschichte des Deutschen Evangelischen Kirchentages" (Vortrag 2005)
Auch diesen Text hat Reinold von Thadden-Trieglaff federführend vorbereitet. Der gebürtige Ostpreuße und leidenschaftliche Protestant wird bis 1961 den Kirchentag als Präsident leiten. Bis heute zählt das alle zwei Jahre stattfindende Protestantentreffen zu den großen Ehrenamts-Bewegungen in Deutschland. Das Zentralbüro befindet sich in Fulda. Dort ist auch der Erfinder des Deutschen Evangelischen Kirchentags, der 1976 gestorben ist, beigesetzt worden.