Auf den Leim gegangen: Die angeklebten Thesen von Martin Luther
Am Reformationstag taucht sie wieder auf - die Legende vom Hammer schwingenden Mönch. Aber hat Martin Luther tatsächlich seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg genagelt?
Da steht er: In dunklen Mönchskleidern, nagelt mit schwungvollen Schlägen ein großes Plakat an die schwere Tür der Schlosskirche in Wittenberg. 31. Oktober 1517. Streitlustig deutet Martin Luther mit dem Hammer auf seine 95 Thesen. So zeigt ein berühmtes Gemälde den Urknall der Reformation. Solche Bilder stützen sich auf Aussagen von Weggefährten Luthers. Zum Beispiel auf einen Text von Philipp Melanchthon.
"Und diese [Thesen] schlug er [Luther] öffentlich an der Kirche neben dem Schloss an am Vorabend des Festes Allerheiligen im Jahr 1517." Philipp Melanchthon im Vorwort zu einer Ausgabe von Luthers Werken aus dem Jahr 1546.
Luthers Geschichte von Hammer und Nagel - eine Legende?
Doch ob Luther tatsächlich Hammer und Nagel verwendet hat, das ist schon fraglich. Es klingt nicht gerade praktisch, ein Plakat mit Nägeln an einer Wind und Wetter ausgesetzten Holzfläche anzubringen. Das bedeutet aber nicht, dass der öffentliche Aushang seines Reformprogramms in den Bereich der Le-genden gehört. Denn dies ist für solche Art von Texten, die damals übliche Praxis. An einer Kirchentür, denn ist in jenen Jahren so etwas wie eine Plattform für Neuigkeiten, behördlicher und sozialer Natur. Universitäten laden hier durch Aushänge zu Disputationen ein, junge Priester kündigen ihre erste Messe an. Auch die weltliche Obrigkeit nutzt die Kirchentüren. So geschehen 1466 in Basel für eine Protestnote. Das Vorgehen hat ein Notar genau protokolliert. Auch wie das Dokument angebracht worden ist.
"Diese hierinnen geschriebene Appellation [habe ich] an die Pforten und Tür […] mit Wachs öffentlich geheftet […] [damit sie] von allen und jeglichen, so denn in oder aus demselben Münster gingen, mocht ge-sehen und gelesen werden." Schwang Luther 1517 tatsächlich den Hammer? In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.04.2014
Quast statt Hammer - Der Thesenanschlag geschah wirklich
Mit Leim oder Wachs sind im Mittelalter Bekanntmachungen an den Kirchentüren "angeschlagen" worden. Mag der Hammer-schwingende Reformator in den Bereich der Legenden gehören, der Thesenanschlag hingegen nicht. Das Bild vom Ereignis müsste sich verändern. Statt eines Hammers, sollte Luther mit einem Quast auf die 95 Thesen deuten.