Adventskranz: Geschichte und Brauch des runden Tannengrüns
"Am 1. Advent stellen wir unseren Adventskranz auf den Tisch und zünden die erste Kerze an. Ich finde das immer sehr schön und würde gerne wissen: Seit wann gibt es den Adventskranz und was hat er für eine Bedeutung?"
"Wie lang ist es noch bis Weihnachten, wann kommt endlich das Christkind?" Der Mann in dem dunklen Gehrock, mit dem steifen Kragen und dem vollem Scheitel holt tief Luft. Wieder und wieder hört er diese Frage. Nicht bloß einmal, unzählige Mädchen und Jungen bitten und betteln. Da könnte einem glatt der Kragen platzen so kurz vor Beginn der Adventszeit 1839. Und dann hat Johann Hinrich Wichern eine Idee. Er stopft sich viele kleine rote Kerzen in die Taschen, dazu vier dicke weiße.
Adventskranz geht auf Johann Hinrich Wichern zurück
Johann Hinrich Wichern ist Theologe und Reformpädagoge. Er gründet vor rund 200 Jahren in Hamburg ein Rettungsdorf "für verwahrloste und schwer erziehbare Kinder". Im Volksmund heißt das Dorf später "Rauhes Haus". Den Mädchen und Jungen aus den Elendsvierteln gibt Johann Hinrich Wichern ein Zuhause, unterrichtet sie in Schreiben, Rechnen, baut Werkstätten, kümmert sich um eine Ausbildung - tief durchdrungen vom biblischen Gebot der Nächstenliebe.
Der erste Adventskranz: Ein Wagenrad mit vielen Lichtern
Und jetzt folgt er wieder einer Idee. Kalt ist dieser Abend. Der Heimleiter nimmt die Hände vor den Mund, haucht mehrmals hinein. Möglichst leise rollt er ein altes Wagenrad hinüber zum Betsaal der Anstalt. Johann Hinrich Wichern greift in die Rocktasche, befestigt auf dem Rad ebenso viele Kerzen, wie es noch Tage bis zum Heiligen Abend sind. Morgen früh wird er die erste rote Kerze anzünden. Jeden Tag eine weitere. Und an den Sonntagen eine von den dicken weißen. Und wenn die Kinder wieder fragen, "wann ist denn endlich Weihnachten?", zeigt er einfach auf den Adventskranz.
Traditioneller Brauch: Der Adventskranz erobert die Welt
Die Idee von Johann Hinrich Wichern zündet. Sein Adventskranz verbreitet sich über die ganze Welt. Später entsteht der Brauch, ihn mit Tannenzweigen zu schmücken. Doch die Zahl der Kerzen wird geringer, übrig bleiben die vier für die Adventssonntage. Sie leuchten für den, der sich selbst als Licht der Welt bezeichnet (Joh 8,12). Geboren in einem Stall.
Das Rauhe Haus in Hamburg gibt es nach wie vor. Die Stiftung unterhält verschiedene Einrichtungen und eine Hochschule für Soziale Arbeit. Der Adventskranz ist dort noch in seiner ursprünglichen Variante erhalten. Er trägt so viele Kerzen, wie es Tage vom 1. Advent bis zu Heiligabend sind.