Advent - Tiefe Sehnsucht nach Ruhe und Frieden
"O Heiland, reiß die Himmel auf": Das Adventslied klingt an den Sonntagen vor Weihnachten traditionell durch Gottesdienste. Sein Verfasser Friedrich Spee setzte sich bereits im 17. Jahrhundert für die Schwachen ein.
Erschöpft trägt Ruth die schweren Einkaufstüten in den 3. Stock hoch. Jeder Schritt macht Mühe, das kalte Wasser des Schneeregens läuft ihr in den Jackenkragen. Sie will einfach nur ausruhen. Doch zu Hause warten die beiden Kinder, die ein Abendessen brauchen, da sind Wäscheberge, ungeöffnete Rechnungen und sowieso der ewig nicht gemachte Haushalt. Sie seufzt leise. Und spürt sie wieder, diese tiefe Sehnsucht. Nach Ruhe. Nach so etwas wie "Frieden". Danach, anzukommen und sie selbst sein zu dürfen. Weit weg von all ihren Sorgen. Sie sehnt sich so nach Wärme und Kraft.
Friedrich Spee setzte sich gegen soziale Kälte ein
An den Sonntagen des Advents singen wir traditionell das wunderschöne Lied: "O Heiland, reiß die Himmel auf". Friedrich Spee, Verfasser dieses Adventsliedes, stritt im 17. Jahrhundert als einer der ersten Geistlichen gegen soziale Kälte und Folter und für die Würde des Menschen, er gab den Leidenden eine Stimme. So fleht das Lied zum Himmel: "O Heiland, reiß die Himmel auf, herab, herab vom Himmel lauf, reiß ab vom Himmel Tor und Tür, reiß ab, wo Schloss und Riegel für."
Es mehr mehr als Pandemie und Klimaziele geben
Diese brennende Ungeduld, dass sich jetzt, bitte jetzt und nicht morgen, die Not wenden möge, diese Ungeduld begegnet mir dieser Tage immer wieder. Gerade bei jungen Menschen. Die Adventszeit versteht das so. Diese drängende Hoffnung danach, dass da noch mehr sein muss als die Schrecken einer Pandemie, unerfüllte Klimaziele und horrend steigende Gaspreise. Und ich sehe wieder Ruth vor mir in ihrer Erschöpfung. Ich möchte ihr die Hoffnung entgegensingen: "O klare Sonn, du schöner Stern, Dich wollten wir anschauen gern; O Sonn, geh auf, ohn' deinen Schein In Finsternis wir alle sein."
Ruth betritt die Wohnung. Es ist eigentümlich still. Plötzlich hört sie leises Kichern aus der Küche. "Komm, Mama", rufen ihre Kinder, "wir haben eine Überraschung." Auf dem Tisch brennen Kerzen, es duftet nach süßem Tee, auf einem Teller Nüsse, Clementinen. Ein Ruhepol. Ganz einfach. Und so sitzen sie beieinander. Getragen von dem kleinen Glück, wie stark es macht, dass sie zusammenhalten. Für diesen Moment ist alles gut. Es ist Advent.