Personalprobleme bei Erixx: Serbische Lokführer sollen helfen
Monatelang sind auf der Strecke zwischen Kiel und Lübeck Züge ausgefallen. Das Unternehmen erklärte die Probleme mit fehlendem Personal und Krankheitsfällen. Sieben neue serbische Triebfahrzeugführer sollen jetzt helfen.
Seit elf Monaten ist Dusan Jeremic in Deutschland. Im April 2022 ist seine Ausbildung zum Lokführer bei Erixx gestartet. In seiner Heimat hat der 40-Jährige Verkehrswissenschaften studiert, zehn Jahre als Lehrer an der Technischen Eisenbahnschule Belgrad gearbeitet und dann noch Lokführer gelernt, um damit nach Deutschland zu kommen, erzählt er. Am Dienstag hat er seine Lokführer-Prüfung bestanden. Zwei seiner serbischen Kollegen müssen noch mal in die Nachprüfung. Nach Deutschland hat es ihn gezogen, weil er etwas Neues lernen wollte. Mit der serbischen Eisenbahn kennt er sich gut aus. Das deutsche Eisenbahnsystem sei aber entwickelter, sagt er. Die Bahnhöfe seien größer, die Züge fahren schneller, es gebe mehr Signale und alles sei komplizierter. Das reizt den 40-jährigen.
Erste Fahrt nach bestandener Prüfung
Wir begleiten Dusan Jeremic bei seiner ersten Fahrt nach der Prüfung, auf der Strecke von Lübeck nach Kiel. Diesmal schaut ihm noch Enrico Blohm, der Leiter Verkehrsnetz über die Schulter. Am Tag darauf muss der frisch gebackene Lokführer alleine ran. Gesprochen wird während der Fahrt kaum - nur in den Bahnhöfen tauschen sich die beiden kurz aus. Dusan Jeremic muss sich konzentrieren, Signale beachten, Geschwindigkeitsbegrenzungen einhalten. Vor allem beim Ein- und Ausfahren in Bahnhöfe muss er wachsam sein. Überfährt er zum Beispiel ein rotes Signal, ist er am Folgetag gesperrt und muss in die Nachschulung.
Bevor man in der Ausbildung selber ans Steuer darf, üben Azubis im Schnitt etwa zehn Tage in einem Simulator und fahren im Führerstand mit, heißt es von Erixx Holstein. Nach einer knappen Stunde Fahrtzeit meldet sich die Leitstelle mit einem "Befehl", wie es in der Eisenbahnfachsprache heißt. Die Langsamfahrstelle bei Preetz wurde verlängert. Dort sind wegen schlechter Gleislage nur 20 km/h erlaubt. Erst danach darf die Geschwindigkeit wieder aufgenommen werden.
Nur 30 Prozent haben Ausbildung erfolgreich abgeschlossen
Mit der Ausbildung zum Lokführer haben viele Probleme. In den ersten Ausbildungskursen haben 25 Prozent abgebrochen, 45 Prozent sind durchgefallen. Jetzt sei die Quote etwas besser, sagt der Leiter Verkehrsnetz. Er ist für alle Fachbereiche des Betriebs zuständig und auch für Personal und Ausbildung verantwortlich. Vor allem Azubis, die schon lange in einem Job gearbeitet haben, brechen ab, so Enrico Blohm. Beispielsweise, weil sie das Lernpensum nicht mehr gewohnt sind oder, weil sie mit den komplizierten Fachbegriffen nicht zurecht kommen. Die 45 prozentige Durchfallquote erklärt Blohm damit, dass Azubis Probleme hätten, theoretisch gelerntes Technik-Wissen in der Praxis anzuwenden: "Man muss das Prinzip eines Diesel-Motors kennen und verstehen. Was passiert, wenn ich ihn kalt starte und der Motor nicht vorgeheizt wurde? Was passiert, wenn er vorgeheizt wurde? Welche Temperaturen muss er haben?" Für viele sei das ein Hürde. Außerdem sei es viel Stoff, den man in kurzer Zeit lernen müsse.
Extra-Hilfe für Auszubildene
Die Ausbildung stellt er deswegen aber nicht in Frage, schließlich sei die zertifiziert und es gebe auch Azubis, die die Ausbildung schaffen. Dennoch sei die hohe Durchfallquote Thema im Unternehmen: "Natürlich schauen wir uns intern an, was man anders machen kann", so Blohm. Für Auszubildende, die Probleme mit dem Lernstoff haben, gebe es am Wochenende schon die Möglichkeit, sich mit dem Ausbilder zusammenzuschalten und offene Fragen zu klären. Das Angebot werde auch genutzt.
Geringe Bewerber-Auswahl in Schleswig-Holstein
Ein weiterer Grund für die schlechten Quoten sei, dass es im Flächenland Schleswig-Holstein grundsätzlich weniger Bewerber gebe. Andere Bundesländer, wie Nordrhein-Westfalen zum Beispiel, hätten mehr Bewerber und damit auch eine größere Auswahl. Die Anforderungen senkt man deshalb aber nicht, sagt Blohm, schließlich seien die Auswahlkriterien festgeschrieben. Doch der Job sei mit Schicht-, Wochenend- und Feiertagsdienst einfach unattraktiv. "Da hat niemand mehr Lust zu", so Blohm. Der jüngste Ausbildungsjahrgang ist zum ersten März gestartet. Zwei Plätze seien in dem Kurs freigeblieben. Das Unternehmen hätte die Kurse angesichts der hohen Durchfall- und Abbrecherquoten gerne überbesetzt, mit zwölf statt nur zehn Auszubildenden. Doch möglich war das laut Blohm nicht. Wann das Personalproblem vollständig gelöst ist, sei derzeit nicht absehbar, sagt er. Aktuell fehlen noch acht Lokführer, die kurz vor Ende ihrer Ausbildung sind.
Für serbische Lokführer ist der Job in Deutschland eine Chance
Für Dusan Jeremic war die Ausbildung bis auf ein paar sprachliche Hürden gut schaffbar. Für ihn sei das schwierigste am Job die Schichtarbeit, sagt er. "Manche Schichten beginnen um 3 Uhr morgens - oder dauern bis 2 Uhr nachts". Und sie sind lang: Acht bis elf Stunden. Aber er fühle sich dafür bereit. Vor einigen Tagen ist er in seine neue Wohnung nach Kiel gezogen. Die Strecke Kiel-Lübeck kennt er inzwischen gut. Neben der, wird er auch auf der Strecke nach Lüneburg eingesetzt. Der neue Job ist für ihn eine Chance. In Deutschland verdient er zwei bis drei mal so viel wie in Serbien, sagt er. Drei Jahre will er auf jeden Fall bei Erixx bleiben. Dann müsse er mal schauen, welche weiteren Möglichkeiten es für ihn gibt. Denn nebenher läuft noch das Anerkennungsverfahren seines Doktortitels in Verkehrswissenschaften.