Kampf um Apps und um die Macht im Netz
Wir haben noch Witze gemacht, über die Verlage und ihre Klage gegen die Tagesschau-App. Und haben uns auch so viel kostenlose Werbung für Zapp gewünscht. Denn durch die Berichte über die Klage der Verlage ist die Zahl der Abonnenten der Tagesschau-App um 200.000 gestiegen! Doch der Kampf der Giganten ist damit noch nicht entschieden.
Sie kämpfen um die Aufmerksamkeit im Netz. Streiten heftig um ein kleines Programm: die App. Für die ARD ist es ein Kampf um junge Zuschauer. Für die Zeitungsverleger ein Kampf um Geld und gegen die öffentlich-rechtlichen Sender.
Dietmar Wolff vom Bundesverband der Deutschen Zeitungsverleger e.V. sagt über die öffentlich-rechtlichen Sender: "Sie sollen Fernsehen machen, sie sollen Radio machen, sie sollen also da, in ihrer Kernkompetenz, was sie auch gut machen und mit hoher Qualität auch bringen, das sollen sie tun und auch ins Internet verlängern. Sie sollen aber nicht in die geschriebene Presse einsteigen, es soll also kein Nachrichtenangebot zum Lesen geben."
Thomas Hinrichs, Zweiter Chefredakteur bei ARD aktuell, hält dagegen: "Ich glaube, das ist ein vorgeschobenes Argument. Dass man ohne Texte die Leute online informieren kann, das ist illusorisch. Das macht überhaupt keinen Sinn. Selbst die FAZ hat ja gesehen am Ende, dass es ganz ohne Bilder nicht geht. Das ist der umgekehrte Weg. Und das gilt auch für uns."
Stellvertreterkrieg gegen die öffentlich-rechtlichen
Acht große Verlage wie die WAZ-Gruppe und die Süddeutsche Zeitung aber klagen nun gegen die kostenlose Tagesschau-App. Andere Branchenriesen sind nicht mit dabei: der Spiegel etwa. Oder Gruner & Jahr. Und auch er klagt nicht: Jakob Augstein, Verleger der Wochenzeitung "Der Freitag". Ein Blatt, das im Internet viel experimentiert. Jakob Augstein erklärt: "Diese Klage gegen diese Applikation ist ja Teil der Kampagne der Verlage gegen die Aktivitäten der Öffentlich-Rechtlichen im Netz. Ich meine, darum geht es ja eigentlich. Und die Verlage haben es schwer, klar. Das klassische Geschäftsmodell ist infrage gestellt. Ein neues ist noch nicht richtig gefunden, im Netz schon gar nicht. Nur man wird dieses Problem nicht lösen durch einen Stellvertreterkrieg gegen die Öffentlich-Rechtlichen."
Die neue Runde im Stellvertreterkrieg trifft die ARD überraschend. Denn die App ist längst auf dem Markt. Sie wird automatisch erstellt. Die Nachrichten der Tagesschau: lesbar aufbereitet für mobile Geräte. Die App kostet die Nutzer: nichts.
Thomas Hinrichs erklärt: "Was wir auf der App haben, ist eins zu eins das, was bei tagesschau.de läuft. Nicht mehr und nicht weniger. Und da sind alle Schlachten geschlagen. Das, was wir da machen, ist erlaubt und deswegen besteht überhaupt kein Anlass, auf einer App etwas anders zu machen."
Dietmar Wolff sieht das anders: "Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sieht die App gar nicht als neuen Markt, sondern als etwas, was aus dem bisherigen, aus der tagesschau.de herausfließt. Wir stehen auf dem Standpunkt, wir haben es hier mit einem neuen, eigentlich sich gründenden Markt zu tun."
Und diesen Markt wollen die Verleger besetzen. Denn für ihre Angebote im Internet will kaum jemand zahlen. Viele Apps aber kosten Geld. Darin sehen die Zeitungshäuser ihre Zukunft. Die Gratis-App der Tagesschau zerstöre das Bezahlmodell, sagen sie. Springer-Chef Mathias Döpfner sieht die Verlage sogar in ihrer Existenz bedroht.
Jakob Augstein meint dazu: "Springer insbesondere steht ja hervorragend da. Döpfner ist ja ein ausgesprochen erfolgreicher Verleger und das ist ja ein sehr erfolgreiches Unternehmen, was er da hat. Das macht das Ganze natürlich auch ein bisschen schwer vermittelbar, wenn er dann davon redet, dass die Verlage um ihre Existenzgrundlage kämpfen, gleichzeitig aber bei ihm aber die Gewinne durch die Decke gehen."
Wer bedroht wessen Existenz?
Ebenso schwer vermittelbar ist, dass auch einige Verlage ihre Apps kostenlos anbieten. Wie der Spiegel oder die Financial Times Deutschland. Das scheint die klagenden Verleger nicht zu stören.
Dietmar Wolff erklärt: "Wir wollen rein in den Markt und dieser Markt wird halt gestört durch einen Teilnehmer am Markt, nämlich den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der anders finanziert wird. Die anderen Partner finanzieren sich durch Werbung, finanzieren sich am Markt, müssen sich refinanzieren."
Thomas Hinrichs meint: "Glaubt jemand allen Ernstes, wenn man jetzt den 1,9 Millionen Usern, die sich die Tagesschau-App downgeloadet haben, wenn man denen das Ding wieder wegnehmen würde, dass die Zahlen bei den anderen explodieren?"
Die Zahlen steigen. Und die ARD will noch mehr Nutzer für sich gewinnen. Neben iPhones und iPads soll es die App auch für andere mobile Geräte geben. Die Technik dafür ist entwickelt. Doch noch hat die ARD die neuen Angebote nicht auf den Markt gebracht.
Thomas Hinrichs erläutert: "Wir gucken, was technisch möglich ist und nutzen diese Möglichkeit. Auf der anderen Seite gibt es ganz offensichtlich Missverständnisse. Nur so kann ich mir diese Klage erklären. Wir bieten an, mit den Verlagen ins Gespräch zu kommen und wollen im Vorfeld dieser Gespräche kein Öl ins Feuer gießen."
"Es hat immer Gespräche gegeben, es laufen nach wie vor Gespräche auch zwischen einzelnen Verlegern, zwischen Intendanten. [...] Das ist nichts Neues. Wenn wir jetzt anfangen miteinander zu reden, das wäre keine neue Entwicklung", meint Dietmar Wolff.
Die Fronten: verhärtet. Die ARD fürchtet, ohne moderne mobile Ausspielwege die Jugend weiter zu verlieren. Und die Verlage bangen, dass sie den Trend nicht umkehren können und mit Nachrichten weiterhin kein Geld im Internet verdienen werden.
Jakob Augstein erklärt: "Das Problem ist bloß, dass dieser Angriff der Verlage eigentlich in Wahrheit einer ist, der sich gegen die Existenz dieses gesamten Systems richtet: Denn wenn man den Öffentlich-Rechtlichen die Entwicklung und Entfaltung im Internet verbietet, dann verbietet man ihnen auf Dauer die Existenz."
Wer aber bedroht wessen Existenz? Und: Wer darf was im Internet? Mit diesen Fragen müssen sich nun einmal mehr die Gerichte befassen.
Jakob Augstein meint: "Im Fernsehen können sich ja ProSiebenSat.1 auch finanzieren, obwohl es öffentlich-rechtliche Sender gibt. Und sie werden dann auch in diesem künftig vermutlich geschlossenen Internet, was aus bezahlten Applikationen besteht, sich die Verlage auch finanzieren können neben öffentlich-rechtlichen Angeboten. Also die Dualität des Systems überträgt sich jetzt ins Netz und daran finde ich eigentlich nichts auszusetzen."