Sendedatum: 04.04.2012 23:20 Uhr

Vergünstigung: Presserabatte am Ende?

von Josy Wübben

Ja, die Zeiten werden härter. Das merken jetzt auch die Journalisten. Zu gerne berichten Reporter über Verfehlungen und Gier bei anderen - vor allem bei Politikern. Die sich qua Amt Vorteile verschaffen oder Vergünstigungen erhalten, die andere nicht bekämen. Ungern dagegen reden sie über die Vergünstigungen, die ihnen der Presseausweis beschert. Der für viele inzwischen vor allem zur "Schnäppchencard" verkommen ist. Aber nun schwingt die Moralkeule zurück. Erste Unternehmen haben aktuell ihre Presserabatte abgeschafft. Brechen jetzt moralische Zeiten an?

 

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Christian Wulff musste gehen. Ob er gegen das Gesetz verstieß, ist unklar. Gegen das Moralgefühl vieler Menschen hat er verstoßen. Sie verübeln ihm, wie ungeniert er Vorteile in Anspruch nahm. Die Medien tadelten den "kleinen bösen Wulff" (Die Zeit, 12.01.2012). Verhöhnten ihn als "Rabattkönig" (Der Spiegel, 13.02.2012). Oft mit erhoben den Zeigefinger: "Das tut man nicht, Herr Präsident" (Süddeutsche Zeitung, 14.12.2011).

Die Medien kennen keine Gnade, wenn sie Privilegien von Politikern anprangern. Wenn es aber um den eigenen Vorteil geht, urteilen sie weniger streng. Denn viele Journalisten sind selbst leidenschaftliche Schnäppchenjäger. Sie bekommen spezielle Rabatte, ganz gleich ob 50 Prozent auf Flugreisen oder 20 Prozent auf den schicken Neuwagen. Kinokarten gibt es manchmal sogar ganz umsonst und auch für Waschmaschinen, Möbel und Hotel-Übernachtungen müssen findige Journalisten weniger zahlen. Auf den einschlägigen Internetseiten für Pressekonditionen wimmelt es nur so von Vergünstigungen. So sind ausgerechnet unter Journalismus.com über 1.700 Rabatte verzeichnet.

Rabatte sind "nicht mehr zeitgemäß"

Jetzt haben allerdings die drei gefragtesten Anbieter ihre Journalistenrabatte abgeschafft. Zuerst die Deutsche Bahn: In einem Brief schrieb sie allen Journalisten, denen sie bislang eine um die Hälfte vergünstigte Bahncard verkauft hatte, der Rabatt sei "nicht mehr zeitgemäß". Im März zog Air Berlin mit der gleichen Begründung nach. Bislang konnten Journalisten mit der Fluggesellschaft um ein Viertel billiger reisen. Gestern hat die Telekom ihren Pressetarif abgeschafft.

Christian Humborg, Geschäftsführer von Transparency International, meint: "Also das ist ein guter Schritt. Man würde sich wünschen, dass mehr Unternehmen diesem Schritt folgen. Denn natürlich besteht immer die Gefahr, dass die Glaubwürdigkeit der Medien nicht davon profitiert, wenn die Menschen merken, dass viele Journalisten und Journalistinnen Pressekonditionen, bessere Pressekonditionen nutzen können. Und wir ja auch gar nicht wissen, wer es tut und wer es nicht tut."

 

ZAPP wollte wissen, ob es Firmen gibt, die dem Beispiel von Bahn, Air Berlin und Telekom folgen wollen. Deshalb hat die Redaktion die 15 Unternehmen, die in der Liste der gefragtesten Presserabatte hinter der Telekom rangieren, angeschrieben. Das erstaunliche Ergebnis: Keine einziges von ihnen plant, die Sonderkonditionen ebenfalls abzuschaffen. Schriftlich antwortet uns etwa die Autovermietung Hertz: "Mit der Press Club Card ermöglichen wir Journalisten die Miete zu vergünstigten Konditionen, da sie zur Ausübung ihrer Arbeit, wie Reportagen oder Reiseberichte, überproportional häufig mobil sein müssen."

Ähnlich argumentiert Avis: "Avis möchte Journalisten in ihrer Arbeit unterstützen: Die individuelle Mobilität ist oft die Grundlage für professionelle Recherche."

Kein Unternehmen gibt Preisnachlässe aus Selbstlosigkeit

Der Wunsch, Journalisten zu unterstützen. Der MStore, ein Unternehmen, das Apple-Produkte verkauft, begründet seine Presserabatte genauso. Als einzige Firmensprecherin ließ sich Charlotte Erdmann auf ein Interview vor der Kamera ein. Sie findet es sogar unsozial, Presserabatte abzuschaffen.

Charlotte Erdmann, Pressesprecherin von "mStore", meint: "Ich finde es schwierig, weil die Journalisten heutzutage immer niedrigere Honorare haben und trotzdem ihre Technik, ihre Reisen selbst finanzieren müssen aus ihrem eigenen Budget. Das ist ja in den Honoraren nicht widergespiegelt und mit den niedrigeren Honoraren haben sie kaum noch Möglichkeiten, denen gerecht zu werden."

 

Christian Humborg: "Gleichwohl muss man sagen: Warum dann ausgerechnet die Journalisten? Man könnte ja auch ein Programm starten, wo man sagt: Jeder, der Hartz IV bezieht, bekommt auch vergünstigte Konditionen. Also, das finde ich, leuchtet nicht so ganz ein."

Für Christian Homburg steht fest: Kein Unternehmen gibt Preisnachlässe aus Selbstlosigkeit, sondern weil es sich davon etwas verspricht.

Christian Humborg: "Es geht hier nicht darum, dass in dem einen Artikel dann ein Wort anders dargestellt wird als es sonst wäre. Das wäre, glaube ich, naiv und dann würde man dem Journalisten auch Unrecht tun, dem man so etwas unterstellen würde. Aber ich glaube schon, dass mit günstigen Pressekonditionen ein gutes Klima geschaffen werden kann, wo man hier und da dann anknüpfen kann."

Ein gutes Klima. Vielleicht stimmt es milde, günstig in den Urlaub zu fahren oder das Traumauto billiger zu bekommen. Die Unternehmen bestreiten aber, auf positive Presse aus zu sein. Etwa der Computerhändler Gravis: "Anders als manche Kritiker von Presserabatten meinen, geht es uns bei Gewährung dieser Sonderkonditionen keineswegs darum, Einfluss auf die Berichterstattung zu nehmen."

Und die Journalisten selbst? Hat die Wulff-Debatte sie zum Nachdenken über anrüchige Privilegien gebracht? In den Foren der einschlägigen Internetseiten weint mancher den Rabatten von Bahn und Air Berlin hinterher. "So langsam wa‘s das aber wirklich mit den interessanten Rabatten." [...] "Schade" [...] "Ein echter Nachteil." [...] "Ob das wirtschaftlich schlau ist, wage ich zu bezweifeln." (Forenzitate).

Kein Wunder also, dass etwa Sixt auf ZAPP-Anfrage antwortet, dass der Ansturm auf Presserabatte nicht nachgelassen hat: "Eine Veränderung des Verhaltens durch jüngste aktuelle Ereignisse (sog. "Wulff-Debatte") können wir nicht feststellen."

Beim MStore ist die Wahrnehmung eine ganz andere.

Charlotte Erdmann: "Wir spüren deutlich weniger Nachfrage an Presserabatten in den letzten drei Monaten. Auch wenn ich keine konkreten Zahlen vorliegen habe, aber es ist deutlich zu spüren, das sich irgendwas in der Situation da draußen rund um Presserabatte verändert hat."

Es scheint also da draußen tatsächlich Journalisten zu geben, die sich mittlerweile genieren, auf diese Art Kapital aus ihrem Beruf zu schlagen. Ihnen scheint die eigene Glaubwürdigkeit mehr wert zu sein als ein paar Prozente auf Reisen, Computer oder Mobiltelefone.

Dieses Thema im Programm:

ZAPP | 04.04.2012 | 23:20 Uhr

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