Presserabatte: Wie Journalisten um Prozente feilschen
Journalistenrabatte - es gibt etliche: Ob Reisen, Auto, Computer, Handy, Flatscreen, Waschmaschine ...egal was, Journalisten kriegen es billiger. Die Frage ist, warum? Vielleicht weil kleine Geschenke die Freundschaft erhalten? Zapp informiert über erwartungsvolle Unternehmen und unbekümmerte Kollegen.
Beitragstext:
Gloria Neugebauer spart, wo sie kann. Sie kriegt Prozente. Weil sie Journalistin ist. Zapp hat die Radio-Moderatorin, einen Filmkritiker und eine Wirtschaftsjournalistin besucht. Sie sprechen offen über ihre Jagd auf Schnäppchen. Gloria Neugebauer, freie Journalistin: „Also das hier ist meine Pressekarte von Air Berlin, da gibt es 50 Prozent auf den Flug, 25 Prozent auf ausländische Flüge. Das hier ist meine E-Plus-Karte zum telefonieren, da gibt es 20 Prozent jeden Monat auf die volle Rechnung, also lohnt sich auch.“ Karin Schrader, freie Journalistin: „Im Januar sind wir nach Ägypten geflogen. Da gab es halt auch zehn Prozent Presse-Rabatt und sie sehen wir sind nach Luxor gefahren und haben uns dort die Tempelanlagen angeschaut und haben die Sonne genossen und haben den Winter etwas hinter uns gelassen.“ André Detroit, freier Journalist „Diesen Flatscreen von Toshiba haben wir sehr günstig angeboten bekommen und nutzen ihn auch sehr gern. Andererseits die Player haben wir hier von Panasonic und von Toshiba, die wir auch sehr, sehr günstig angeboten bekommen haben und halt eben mobile Endgeräte, wie hier von HP ein Notebook, das erfreut sich natürlich auch hoher Beliebtheit.“
Grenzenlose Auswahl
Diese drei Journalisten sind keine Ausnahme. Denn fast drei Viertel aller Journalisten, 74 Prozent, geben zu, dass sie Presserabatte nutzen. Der Medienwissenschaftler Dominik Stawski hat 1.300 Journalisten befragt, ob und welche Presserabatte sie in Anspruch nehmen. Dominik Stawsk, Autor Studie Presserabatte: „Das hat mich auch sehr überrascht, dass eigentlich im Prinzip jeder Journalist Rabatte kennt. Ich war mir gar nicht sicher, ob ich die Frage in der Studie so stellen darf. Vielleicht musste ich erst einmal erklären, was Rabatte sind, dass war gar nicht nötig, jeder wusste Bescheid, jeder wusste und kannte Rabatte.“ Die Auswahl für die Journalisten ist grenzenlos. Ob beim Urlaub, beim Fliegen oder beim Neuwagenkauf. Meistens gelten für Journalisten Sonderpreise. Gloria Neugebauer, freie Journalistin: „Die Rabatte selber zu bekommen ist, glaube ich, ziemlich einfach. Also man guckt einfach auf der Internetseite, welche Anbieter gibt es die Rabatte anbieten, 25 Prozent, 50, also egal was, da ist wirklich alles mit dabei.“ André Detroit, freier Journalist: „Es gibt sehr. sehr breit gefächerte Spannen, die gehen von in der Regel von 15 Prozent bei Fahrzeugen aus, bei Lautsprechern zum Beispiel, geht das runter bis zu 50 Prozent.“ Karin Schrader, freie Journalistin: „Urlaube, Flüge, Hotelübernachtungen. Es kam immer ganz drauf an. Also wenn man etwas benötigt und man guckt in pressekonditionen.de nach, wer denn was anbietet, dann kann man darauf zugreifen.“
Tabubruch
Unter pressekonditionen.de und journalismus.com steht detailliert, welche Firma wie viel Prozent gewährt. Hier gibt es Links, die Ansprechpartner und die Telefonnummern. Sebastian Brinkmann, pressekonditionen.de: „17.000 haben meinen Newsletter abonniert. Viele gehen auch so auf die Seite, 60.000 Besucher im Monat.“ Als Peter Diesler von journalismus.com vor Jahren die Sondertarife im Netz publik machte, brach er ein Tabu. Peter Diesler, journalismus.com: „Die Reaktion war schon so, dass also manche Kollegen sich wirklich empört und entsetzt haben über die Frage, dass das jetzt plötzlich für jedermann einsichtig ist und damit auch im Grunde transparent ist, was es alles für Vergünstigungen für Journalisten gibt.“ Sie fordern von anderen stets Antworten, schweigen aber, wenn es um sie selber geht. Dominik Stawski, Medienwissenschaftler: „Journalisten berichten über alle möglichen Verstrickungen zwischen Wirtschaft und Politik, aber sie berichten sehr, sehr wenig über das Verhältnis zwischen Wirtschaft und Journalismus und in dem Fall halt auch über Presserabatte.“ Klaus-Dieter Altmeppen, Professor für Journalistik: „Genau die Journalisten, die Presserabatte nutzen, haben ja nun wirklich überhaupt kein Interesse, das auch noch zum Berichterstattungsgegenstand zu machen.“ Reporter: „Sprich: Der Zuschauer weiß nichts davon?“ Klaus-Dieter Altmeppen, Professor für Journalistik: „Der weiß nichts davon, der soll ja auch nichts davon erfahren, denn das ist ja genau das Ziel der Unternehmen die Presserabatte vergeben. Gewogenheit schaffen und damit auch die Berichterstattung unterdrücken, die nicht so positiv ist.“
Positive Berichterstattung
Zapp wollte von 15 Unternehmen wissen, warum sie Presserabatte anbieten. Nur zwei waren zu einem Interview vor der Kamera bereit. So der Sprecher der Fluggesellschaft, mit der zehntausende Journalisten zum halben Preis fliegen, Air Berlin. Hans-Christoph Noack, Sprecher Air Berlin: „Wir wollen sie mit unserem Produkt bekannt machen und das in einem privaten Erlebnisumfeld und weil wir uns davon versprechen, das sie die Fluggesellschaft und ihre Leistungen und ihr Produkt und ihr Portfolio besser einordnen können.“ Britt Winter, Sprecherin Maritim Hotels: „Natürlich haben wir auch ein großes Interesse, das Journalisten unser Produkt, unsere Qualität auch privat mal kennen lernen können und letzten Endes eventuell sich daraus zu einem späteren Zeitpunkt vielleicht sogar eine Berichterstattung ergibt.“ Reporter: „Hoffen Sie durch Presserabatte auf positive Berichterstattung?“ Britt Winter, Sprecherin Maritim Hotels: „Ja natürlich! Wo immer möglich.“ Klaus-Dieter Altmeppen, Professor für Journalistik: „Unternehmen entwickeln vielfältigste Strategien um dorthin zu kommen, zu sagen, wie stelle ich mein Unternehmen in der Öffentlichkeit positiv dar und da gehören Journalistenrabatte eindeutig mit zu diesen Strategien, Gewogenheit herzustellen. Also genau das, was Journalisten nicht sein sollten.“
Ruf auf dem Spiel
Und es funktioniert. Journalisten lassen sich offensichtlich kaufen, denn sie lassen sich milde stimmen. Gloria Neugebauer, freie Journalistin: „Man merkt sich natürlich auch diese Firmen, die diese Presserabatte anbieten. Also gerade muss ich jetzt sagen, wo ich weiß, das Skoda diesen Presserabatt anbietet, bin ich natürlich auch so ein bisschen freundlich gegenüber Skoda. Weil ich mir denke, hey, ist eigentlich ein tolles Angebot.“ Karin Schrader, freie Journalistin: „Ich denke mal, wenn ich eine Reisereportage schreibe und der Urlaub wird halt voll finanziert, das man sich schon überlegt, ob man nicht die negativen Dinge weglässt.“ André Detroit, freier Journalist: „Geiz ist geil. Es ist nie verkehrt einen Nachlass in Anspruch zu nehmen.“ Jeder Nachlass aber gefährdet die Unabhängigkeit. Selbst wenn Journalisten glauben, dass sie zwischen Presserabatten und ihrer Arbeit trennen können. Selbst wenn sie nicht über die berichten, von denen sie profitieren. Klaus-Dieter Altmeppen, Professor für Journalistik: „Journalisten leben von ihrer Glaubwürdigkeit, von ihrem Image, von ihrem Ruf, machen sich aber offensichtlich keine Gedanken darüber, dass sie mit Presserabatten genau diesen Ruf aufs Spiel setzen.“
Konten und Privilegien
Bei der Jagd nach Prozenten und Rabatten sind einige Journalisten hemmungslos. Sie fragen nicht nur nach Preisnachlässen, sondern fordern sie. Reporter: „Üben Journalisten auch Druck aus auf Unternehmen?“ Dominik Stawski, Autor Studie Presserabatte: „Ja, das wurde mir berichtet, also von zwei Unternehmen wurde mir das konkret berichtet, dass eine Unternehmen hat sogar Angst, sag ich mal, Rabatte abzulehnen, wenn dann Anfragen kommen, die zum Teil sogar unverschämt sind. Ja, jetzt zitiere ich dieses Unternehmen, dann sorgt man sich trotzdem so ein bisschen die abzulehnen, weil man fürchtet negative Berichterstattung.“ Viele Firmen lassen sich von Journalisten regelrecht erpressen. Niemand will es sein Image aufs Spiel setzen und es sich mit den Medien verderben. Klaus-Dieter Altmeppen, Professor für Journalistik: „Wenn es soweit kommt, dass Journalisten sich Presserabatte erzwingen, indem sie sagen: `Ich berichte dann aber nicht, oder ich berichte dann in einer bestimmten Art und Weise.´ Dann halte ich das schon für fast rechtlich belangvoll. Diese Auswüchse zeigen aber eben, welche Gefahr für die Glaubwürdigkeit und für die Verantwortung des Journalismus in den Presserabatten liegen.“ Diese Gefahr sehen nur wenige Journalisten. Viele denken an ihren eigenen Vorteil, ihr Konto und ihre Privilegien. Klaus-Dieter Altmeppen, Professor für Journalistik: „Die journalistischen Organisationen, die Redaktionen, die Redaktionsleitungen selber, müssten hier zu klaren Regeln und Richtlinien kommen, in denen eindeutig gesagt wird, Presserabatte: Nein! Ohne Ausnahme: Nein!“
Verlockend
Auch der Deutsche Journalistenverband gibt keine klare Haltung vor. Er fordert zur freiwilligen Zurückhaltung auf. Hendrik Zörner, Deutscher Journalisten – Verband: „Es wäre für Journalisten insgesamt besser und vor allem auch einfacher, wenn sie auf Presserabatte verzichten würden. Sie laufen dann nicht mehr Gefahr, abhängig zu werden von Unternehmen, die Presserabatte vergeben.“ Allerdings bietet der DJV auf seiner Homepage „attraktive Angebote“ an. Zum Beispiel, einen „Vodafone-Rabatt“ oder „spezielle Konditionen“ für den Urlaub. Hendrik Zörner, Deutscher Journalisten – Verband: „Wir bieten unseren Mitgliedern Vergünstigungen, so wie andere Organisationen, so wie andere Verbände das für ihre Mitglieder auch machen, das ist insofern völlig in Ordnung.“ Ein Widerspruch: Der Deutsche Journalisten Verband warnt vor Rabatten und bietet sie gleichzeitig selber an. Klarer dagegen ist die Haltung der Deutschen Journalisten Union, DJU. Die Gewerkschaft lehnt Presserabatte generell ab. Ulrike Maercks-Franzen, Deutsche Journalisten Union: „Man ist nicht darauf angewiesen. Aber es ist natürlich wahrscheinlich verlockend, wenn man die Summen liest, und wenn man nicht intensiv über seinen Beruf und seine Verantwortung nachdenkt, dann denk ich, ist es schon verlockend. Und ich würde nicht ausschließen, dass die Kollegen da eine gewisse doppelte Moral haben.“ Diese doppelte Moral teilen immerhin drei Viertel aller Journalisten.
Ein guter Preis kostet
Und deshalb haben die Unternehmen viel zu tun, um jeden Rabattwunsch zu erfüllen. Hans-Christoph Noack, Sprecher Air Berlin: „Das sind einige Mitarbeiter hier im Hause, die kümmern sich, da wird angerufen, wird ein Wunsch gemailt, wird ein Wunsch geäußert, dann hinterlegen die Kollegen die Bankverbindung und dann wird das entsprechend gebucht.“ Britt Winter, Sprecherin Maritim Hotels: „Wir sind für 2008 auch angenehm überrascht gewesen. Ich denke mal, oder halte es für realistisch, wenn da 2000 Übernachtungen zusammen gekommen sind. Was eigentlich nicht wenig ist.“ Kaum jemand kann widerstehen. Unternehmen haben mit Journalisten ein leichtes Spiel. Wenn es ums Geld geht, hört die Moral bei vielen auf. Klaus-Dieter Altmeppen, Professor für Journalistik: „Bei Presserabatten gibt es, glaube ich, auch nicht die Frage ist das eine noch erlaubt oder das andere nicht. Sondern im Sinne der Glaubwürdigkeit und der Verantwortung muss man einfach sagen, nein, das sollte für Journalisten tabu sein.“ Die Realität sieht anders aus, denn viele Journalisten sind sogar stolz auf ihre Preisrecherchen. Zum Beispiel beim Autokauf. Gloria Neugebauer, freie Journalistin: „Also, ich habe mich sehr lange erkundigt gehabt, welche Automobilhersteller denn überhaupt noch Presserabatte anbieten. Darunter halt Skoda, Audi, BMW, alle möglichen. Bin dann durch Zufall auf die Marke Dodge gekommen, weil mir das Auto halt sehr gut gefallen hat und habe halt gefragt, ja, wie sieht es aus, Presserabatt? Und am Anfang, ja, mal gucken, sind dann aber doch zu einem guten Preis gekommen.“ Ein guter Preis, aber er kostet die journalistische Unabhängigkeit.