Zwei Jahre jung: Was bitteschön ist "funk"?
Früher hatte es Florian Hager einfacher. Er war Manager bei Arte, einem klassischen Sender mit einem Programmschema, einer eigenen Mediathek und vor allem einer klaren Zielgruppe. Seit zweieinhalb Jahren sieht die Welt für Hager anders aus: Er betreibt "funk", das Jugendangebot von ARD und ZDF für 14- bis 29-Jährige. "Das ist keine Zielgruppe", sagt Hager. "Das ist vom ersten Pickel bis zum Hausbau alles."
Vor allem "Tabuthemen"
In der "funk"-Zentrale am Mainzer Hauptbahnhof hat Hager ein Labor aufgebaut. 120 Formate hat er mit seinen Leuten bereits getestet. Anders als er sind sie Zielgruppe. Vieles haben sie wieder verworfen, etwa 70 sind aber aktuell am Start: von einer Internet-Morning-Show über Lifestyle von Jugendlichen für Jugendlichen bis zu investigativen Reportagen, wie beispielsweise "Strg_F" vom NDR.
Ein Klick auf die Abrufzahlen zeigt: Viele Formate sind etabliert mit Abrufen pro Folge von mehreren zehn-, oft sogar hunderttausenden Klicks. Eines der ersten Formate ist "Auf Klo", ein Mädelstalk, bei dem die Moderatorinnen und ihre Gäste nebeneinander auf Toilettenschüsseln sitzen. Moderatorin Lisa Sophie Laurent erklärt, dass sie vor allem "Tabuthemen" anspreche - auch zu Fragen, die Heranwachsende umtrieben, aber in der Schule kaum Thema seien. Bei "Auf Klo" geht es dann etwa um zu große Brüste, Damenbärte oder auch um Hypersensibilität und künstliche Darmausgänge.
Rundfunkbeiträge für Game-Channels?
Laurent sagt, solche Angebote seien nicht zuletzt sehr wichtig dafür, um auch in der nachwachsenden Zielgruppe dafür zu sorgen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk akzeptiert werde. "Es geht darum, dass sie nicht das Gefühl haben, ich zahle diesen Beitrag und habe letzten Endes nichts davon, weil alle Inhalte wahrscheinlich erst in 40 Jahren etwas für mich sind, sondern zu sehen: Okay, ich zahl das, aber hier ist auch der Punkt, wo ich dafür etwas zurückbekomme."
Vor allem "funk"-Programmgeschäftsführer Hager muss sich aber auch immer wieder mit Kritik beschäftigen. Aufklärende Formate wie "Auf Klo" oder Reihen wie "Strg_F" und die "reporter", die etwa auch nach den Lebensbedingungen von Jugendlichen fragen, deren Eltern Hartz IV beziehen, sind dabei meist außen vor. Warum sollte aber mit Rundfunkbeiträgen beispielsweise ein Youtube-Kanal wie "Game Two" finanziert werden, in dem es vor allem um Computerspiele geht?
Hager erinnert daran, dass dieses Format eins als "Game One" vom Privatsender MTV gestartet, dann aber eingestellt wurde. "Das hat nicht mehr funktioniert, weil es nicht refinanzierbar war, aus kommerziellen Gründen", erklärt der funk-Chef. "Dann ist es auch für uns ein Grund, da zu sagen, dass da Marktversagen herrscht und dass wir da an der Stelle reingehen." Auch Unterhaltung sei nun mal Teil des Auftrags und für viele Jugendliche Computerspiele Unterhaltung und Kultur zugleich.
Riskante Abhängigkeit von Youtube?
Privatsender kritisieren wiederum, ARD und ZDF würden US-Plattformen mit hochwertigen Inhalten beschenken und so stärken - so hat es beispielsweise der Geschäftsführer von n-tv und Vorsitzende des Privatsenderverbandes Vaunet, Hans Demmel, im medienpolitischen Interview mit ZAPP gesagt. Für "funk" gilt tatsächlich seit Beginn das Prinzip: dort hingehen, wo die Zielgruppe ist, also auf die besagten Plattformen statt auf einen eigenen TV-Kanal. "funk" braucht also Youtube & Co. für die Verbreitung der Inhalte. Eine riskante Abhängigkeit?
"Wenn Youtube morgen früh kaputt gehen würde, wären in der Lage, relativ schnell auf eine andere Plattform zu migrieren - auch auf die eigene, da sind wir eh." "funk" spiele alle Inhalte auch auf einer eigenen Internetseite und zunehmend auch in den Mediatheken von ARD und ZDF aus. Je nach Format würden Beiträge auch auf mehreren Kanälen platziert, darunter Instagram, Snapchat und TikTok, während sich "funk" von Facebook wie die Zielgruppe zunehmend verabschiede. "Wir sind nicht abhängig von einer Plattform und das ist auch ganz wichtig für uns."
Am Prinzip, auf sogenannte Drittplattformen zu gehen, müsse er aber grundsätzlich festhalten, sagt Hager. Nur das führe bei der Zielgruppe zum Erfolg. "Die jetzigen Fernsehmacher müssen sich überlegen, was für Inhalte sie zur Verfügung stellen, um die Leute zu versorgen, die in dieser Welt sozialisiert wurden", mahnt Hager. Das ist sein Appell an die Kollegen in den klassischen Funkhäusern: Überlegt euch, was ihr dem "funk"-Publikum anbietet, wenn es erst mal 30 oder 40 Jahre alt ist und gelernt hat, weitgehend ohne klassisches Fernsehprogramm auszukommen.