Streit um TV-Lizenzen - Bevorzugung von Firmen?
Fernsehproduzent, das war mal ein echt lukratives Geschäft. Doch inzwischen ist der Markt knalleng. Viele Sendungen werden wegen mangelnden Quotenerfolgs schneller abgesetzt, als die Produzenten gucken können. Es sei denn, sie haben sogenannte Drittsendelizenzen. Die bringen sichere Einnahmen über Jahre hinweg auf besten Sendeplätzen bei Sat.1 oder RTL. Klar, dass die Bewerber dafür Schlange stehen. Aber es geht nicht hübsch der Reihe nach. ZAPP über ein verfahrenes Verfahren.
Triebe, Trash und Tralala: Privatfernsehen in Deutschland. RTL und Sat.1 dominieren den Markt mit viel Buntem und wenig Gehaltvollem. Doch in ihrem Programm verstecken sich Sendungen, auf die sie keinen Einfluss haben. Bei Sat.1: Planetopia, Weck-Up, Spiegel TV Reportage und "news and stories”. Sendungen, die von unabhängigen Dritten produziert werden. Sie sollen für Meinungsvielfalt sorgen.
Harald Zehe, Direktor der Landesmedienanstalt Rheinland-Pfalz: "Diese Drittsendezeiten sind ja von den Staatsvertragsgebern deswegen eingeführt worden, weil man gesagt hat, diese Programme sind möglicherweise zu unterhaltungslastig, es sollen auch die anderen Dinge zum Zuge kommen, die erst ein Vollprogramm so richtig ausmachen, eben die Bildung, die Information."
Die Landesmedienanstalt Rheinland-Pfalz vergibt die Drittsendezeiten für Sat.1 jetzt neu, wie immer für fünf Jahre. Sechs Produktionsfirmen haben sich beworben. Und es sind wieder einmal dieselben, die den Zuschlag bekommen haben, die die Drittsendeplätze bespielen, seit es sie gibt, seit 15 Jahren.
Lutz Hachmeister vom Institut für Medienpolitik: "Ehrlich gesagt, hat es mich überrascht, dass man noch einmal fortgesetzt hat, was man schon über die letzten 10 oder 20 Jahre schon Bestand hat. Ich hätte eher gedacht, dass man sich öffnet in Rheinland Pfalz, auch aufgrund des öffentlichen Drucks, dass man es noch einmal durchgehalten hat, wieder die beiden, ich sag mal, die beiden bekannten Figurenkonstellationen zu nehmen, ist schon happig."
Dauerabonneten
Die Profiteure dieses seltsamen Spiels: Alexander Kluge mit seiner Firma dctp, er ist einer der Erfinder der Drittsendezeiten und seither Dauerabonnent, und Josef Buchheit mit seinen "news and pictures". Er hat das Glück, dass er wie die zuständige Landesmedienanstalt in Rheinland-Pfalz sitzt. Auch er ist ein Dauerabonnent. Buchheit soll mit seinem sonntäglichen Frühstücksfernsehen "Weck Up" für Vielfalt bei Sat.1 sorgen und mit seiner Wissenssendung "Planetopia".
Helmut Thoma, ehemaliger RTL-Programmchef: "Was ist daran mehr Meinungsvielfalt? Das ist ja keine politische Sendung oder auch nur irgendeine gesellschaftspolitische Sendung. Das ist eine normale Sendung und aus. Außer dass die heute Herr Buchheit macht und dabei hoffentlich was verdient."
Kluge verdient bei Sat.1 Geld mit der "Spiegel TV Reportage" und dem nächtlichen Kulturmagazin "news and stories". Es ist ein lukratives Geschäft unter dem Deckmantel der Vielfalt, ohne lästigen Quotendruck. Fernsehen, wie aus der Zeit gefallen.
Lutz Hachmeister: "Das sind eher esoterisch intellektuelle Programme, mit denen man sich anfreunden kann oder nicht, aber im Rahmen des Fernsehens, das Alexander Kluge für sich erfunden hat, hat es ja keine großen Veränderungen gegeben. Also auch da hätte man sich fragen können, ob man da nicht mal jüngere Medienschaffende, jüngere Journalisten, jüngere Programmästhetik heranlässt."
Landesmedienanstalt Rheinland-Pfalz bleibt alten Bekannten treu
Es bleibt alles wie gehabt. Was bisher gut war, kann ja nicht plötzlich schlecht sein. Vielfalt durch neue Anbieter, kein Argument.
Harald Zehe: "Sie waren jedes Mal die besten. So einfach ist das. [...] Es kann nicht heißen: Du warst schon einmal dran, du warst schon einmal Klassenbester, deswegen musst du jetzt mal sitzenbleiben ein Jahr lang. Sondern es wird immer wieder neu ausgewählt: Wer bringt den größten Vielfalts-Beitrag in das Programm. Und so lange das der oder jener ist und die anderen nicht heranreichen, war es das eben."
Helmut Thoma: "Vielfalt entsteht durch den Wechsel. Und was heißt hier Klassenbester? Um Himmels Willen, der Buchheit [...] ist ja auch sonst auf keinem Feld Klassenbester. Also wäre der überall Klassenbester wäre, dann könnte man drüber reden, aber der ist außerhalb der Landesmedienanstalt noch nirgendwo als Klassenbester identifiziert worden."
Ollie Weiberg identifizierte die Landesmedienanstalt nicht als Klassenbesten. Er und seine Firma "META Productions" hatten sich auch für die Sat.1-Drittsendeplätze beworben: "Ob die bisherigen Lizenzinhaber die Klassenbesten sind, kann ich natürlich nicht beurteilen, weil ich deren Programmvorschläge nicht kenne. Allerdings muss ich befürchten, dass sie sich wieder mit den gleichen Programmen beworben haben und deswegen geht es dabei gar nicht mehr um das Klassenbeste, sondern es geht um das Vielfältigste. So steht es im Gesetz, so steht es im Paragraph 31 und nicht nach dem Klassenbesten wird gesucht, sondern nach dem, der den größtmöglichen Beitrag zur Vielfalt im Programm leistet. Und das kann keine Sendung sein, die seit 15 Jahren sendet."
"META Productions" klagt deshalb gegen die Entscheidung der Landesmedienanstalt. Und zwar nicht als einzige. Auch N24 hat sich um eine Drittsendezeit beworben. Und Klage eingereicht. Sie wurde heute abgewiesen. Auch Sat.1 klagt gegen die Auswahl der Landesmedienanstalt. Der Sender würde andere Bewerber vorziehen. Doch die hatten offenbar keine Chance.
Harald Zehe: "Es geht immer um ein beträchtliches Stück des Kuchens und da gibt es dann immer mehrere Interessen. Wenn es aber dann nur ein oder zwei werden können, dann müssen wir eben andere Interessen ablehnen, wir müssen andere Bewerbungen zurückweisen und die sind grundsätzlich nicht damit einverstanden."
Planungssicherheit für Produzenten
Für Firmen wie "META Productions" sind die Drittsendeplätze etwas Einmaliges. Sie sind wohl dotiert und vor allem für fünf Jahre garantiert. Sie bieten Planungssicherheit und damit auch kleineren Firmen die Möglichkeit, Journalisten langfristig zu beschäftigen.
Ollie Weiberg: "Diese Bedingungen kann man nicht mehr ohne weiteres durch Aufträge aus dem Free TV erfüllen. Das macht einer journalistischen Firma sehr zu schaffen natürlich. Wir kriegen das hin, aber es wird nicht einfacher. Ich denke, gerade das macht natürlich solche sehr perspektivischen Aufträge, solche Sendeplätze, die über fünf Jahre bespielt werden und die dazu auch noch wöchentlich sind, sehr, sehr attraktiv, sogar noch attraktiver als sie jemals waren."
Herr über diese attraktiven Sendeplätze bei Sat.1 ist die Landesmedienanstalt Rheinland-Pfalz. Sie allein entscheidet über ihren Klassenbesten, nach Kriterien, die bis heute undurchsichtig sind. Zwei von drei Klagen werden noch vor Gericht geprüft.
Lutz Hachmeister: "Das kann ja auch so eine Art Musterprozess werden und man weiß ja auch, dass sich die Direktoren der Landesmedienanstalten selber nicht mehr einig sind, was diese Idee der Fensterprogramme anbelangt, also vielleicht braucht man da einen grundsätzlichen Systemwechsel."
Einen Wechsel zu mehr Vielfalt auf den Drittsendeplätzen. Mut für Neues und Mut für Entscheidungen gegen die üblichen Verdächtigen und vermeintlich Klassenbesten.