Stand: 22.03.2017 15:50 Uhr

Das Ende des Free-TV? - Umstellung auf DVB-T2

von Daniel Bouhs
DVB-T2 HD Endgerätelogo in einem Fernsehmonitor. © DVB-T2 HD ist eine Initiative von ARD, den Medienanstalten, Mediengruppe RTL Deutschland, ProSiebenSat.1 Media AG, VPRT und ZDF. Foto: N-Media-Images
Der neue Standard: DVB-T2 HD.

Plakate an U-Bahn-Höfen, Werbespots im Netz, Laufbänder im Programm: Die TV-Industrie - Sender wie Gerätehersteller - werben seit Wochen mit großem Aufwand für das künftige Antennenfernsehen DVB-T2 HD. Das bringt mehr Kanäle als bisher und die auch gleich in hoher Auflösung zu den Empfangsgeräten. Letztlich birgt die Umstellung aber auch ein großes Risiko: Das Privatfernsehen verschwindet de facto hinter einer Bezahlschranke. Wer RTL, ProSieben und Co. sehen will, muss künftig ein Abo lösen. Ob viele der bisher rund drei Millionen DVB-T-Haushalte mitziehen?

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Risiko Pay-TV

"Das Risiko ist unbekannt", sagt Veit Olischläger, der Leiter des DVB-T2 HD-Projektbüros gegenüber ZAPP. Die Umstellung sei "ein Stück weit der Blick in die Glaskugel - aber das ist Basis eines unternehmerischen Geschäfts". Aber ist die Einführung eines Bezahlmodells für ursprünglich frei empfangbare Privatsender irgendeine Unternehmung? Tatsächlich geht es um nichts anderes als die Zukunft des Antennenfernsehens an sich.

DVB-T2 HD © NDR
Veit Olischläger spricht von unbekannten Risiken im Hinblick auf die Akzeptanz einer Bezahlschranke.

Projektbüroleiter Olischläger sagt selbst, dass "die Beteiligung beider Teile des dualen Rundfunksystems immens wichtig für den Erfolg von DVB-T2 HD" sei. Damit das Antennenfernsehen auch im digitalen Zeitalter genug Fans für seinen Betrieb hat, braucht es also neben den Programmen von ARD und ZDF zwingend auch die privaten Kanäle. "Das lehrt uns die Einführung von DVB-T", erinnert Olischläger. "Überall dort, wo beide Teile des Systems mit dabei sind, funktioniert es."

Warum kommt DVB-T2 HD?

Dass sich überhaupt etwas ändert, liegt am Boom des Mobilfunks. Der braucht etwa für zusätzliche Netze wie LTE weitere Frequenzen und wächst dabei förmlich in die Frequenzbereiche des bisherigen Antennenfernsehens hinein. Politik und Bundesnetzagentur haben dem Fernsehen deshalb neue Frequenzen zugewiesen. Das Antennenfernsehen macht also Platz für den Mobilfunk – politisch verordnet.

Kosten für ARD & ZDF enthalten

Die ARD kostet die Verbreitung ihrer Kanäle grob 100 Millionen Euro im Jahr. Kosten, die bei der Berechnung des Rundfunkbeitrags berücksichtigt wurden. Privatsender müssen die Verbreitungskosten erwirtschaften. Während sie wegen der Umstellung nicht mehr Geld mit Werbung verdienen, wird die Verbreitung ihrer Kanäle teurer: RTL und Co. werden in mehr Regionen ausgestrahlt als bisher. Die Privatsender wollen dafür aber nicht mehr, sondern sogar weniger zahlen.

"Die Privatsender hatten klar gesagt, 'Wir machen nicht mit, wenn nicht nach unseren Regeln gespielt wird'. Das ist natürlich eine Abhängigkeit, ein Machtverhältnis", sagt Technikjournalist Nico Jurran gegenüber ZAPP. "Hier will einer seinen vermeintlich neuen Übertragungsweg durchsetzen und der andere sagt 'Da spiele ich nur mit, wenn wir dabei unsere Geschichte mit der Infrastrukturgebühr bekommen'."

In Kabelnetzen ist HD-Zugang kostenpflichtig

In Kabelnetzen, via IP-TV und auf den Satelliten kostet der Zugang zu Privatsendern in HD bereits extra. Mit diesen Einnahmen drücken die Plattformbetreiber die Kosten, die sie Privatsendern für die Verbreitung ihrer Programme in Rechnung stellen. Den Privatsendern kommen die Einnahmen der HD-Abos also nicht direkt, aber indirekt zugute.

Anders als bei Kabel, Satellit und IP-TV haben Zuschauer beim Antennenfernsehen allerdings nicht die Möglichkeit, Privatsender einfach in schlechterer Qualität zu sehen, wenn sie sich den Zugang zu den HD-Sendern der Privatsender für 69 Euro im Jahr über die Plattform Freenet TV sparen wollen: Das schlechtere SD-Signal wird nicht als Alternative parallel übertragen.

Testballon der TV-Industrie?

Technikjournalist Nico Jurran. © NDR
Für Technikjournalist Nico Jurran will die Branche testen, ob das Publikum mitmacht.

Für Fachjournalist Jurran ist DVB-T2 HD letztlich ein großer Testballon der TV-Industrie. "Man will einfach sehen: Was passiert, wenn wir diese noch kostenfreie SD-Variante wirklich wegschneiden?", fragt der "c’t"-Journalist. "Wechseln sie auf einen anderen Empfangsweg und wie viele davon sind letztlich nachher bereit - wenn man sie vielleicht ein bisschen anfüttert mit ein paar Monaten Freiempfang - zu sagen 'Ach, komm, diese 70 Euro die zahle ich noch im Jahr?'"

Keine Frewuenzen für SD-Parallelbetrieb

Wirklich glücklich wirkt auch der Leiter des DVB-T2 HD-Projektbüros mit dieser Entwicklung nicht, sieht aber "ein Problem mit der Frequenzausstattung": Einen Parallelbetrieb von guter und schlechter Sendequalität wie bei Kabel, Sat und IP-TV gebe das neu zugewiesene Frequenzspektrum nicht her. "Wenn man das machen würde, würde sich die Programmmenge reduzieren und darunter die Attraktivität des Gesamtproduktes leiden", erklärt Olischläger. Deshalb habe man sich "für das Paket entschieden, wie es heute ist - mit dem technischen Entgelt für Privatsender".

Weder die Media Broadcast, die über ihre Sendemasten die privaten Sender verbreitet, noch die großen Privatsendergruppen wollten ZAPP Interviews zur Einführung von DVB-T2 HD geben. Die Media Broadcast erklärte jedoch schriftlich, sie habe "natürlich im Vorfeld im Vorfeld der Produktgestaltung verschiedene Nutzerbefragungen durchgeführt und deren Ergebnisse berücksichtigt". Und auch jenseits der Privatsender-Abos gibt sich der Dienstleister sicher: "Der weitaus überwiegende Teil der heutigen DVB-T-Nutzer wird auch DVB-T2 HD nutzen, zusätzlich wird es Kunden geben, die von anderen Empfangswegen zur Terrestrik wechseln." Am Ende hängt davon niemand so sehr ab wie Media Broadcast selbst.

Dieses Thema im Programm:

ZAPP | 22.03.2017 | 23:20 Uhr