Freie schlecht bezahlte TV-Journalisten
Beim Fernsehen arbeiten ist für viele ein absoluter Traum, für freie Mitarbeiter nicht selten ein Alptraum. Der Druck auf Autoren, Kameraleute, Cutter, Tontechniker nimmt zu, sie müssen immer mehr produzieren, werden aber immer schlechter bezahlt. In der Branche ist das längst bekannt, öffentlich reden will darüber aber kaum jemand. Zu groß ist die Angst, den Job zu verlieren. Zapp ist es nach langer Recherche dennoch gelungen, Freie zu finden, die auspacken.
"Das Allerschlimmste ist: Es werden keine Pausen gemacht, es gibt weder was zu Trinken, noch zu Essen am Set. Ich hab mir angewöhnt, mir selber was mitzubringen, aber wenn ich das dann auspacke, gibt es Stunk: ‚Wir machen keine Pausen‘. Und das teilweise dann für 17, 18 Stunden-Tage.", meint ein freier Tonassistent.
Der freie Kameramann Stefan Nowak erzählt: "Überstunden werden in den seltensten Fällen bezahlt, es wird einfach nur erwartet, dass man solange dreht, bis der Dreh im Kasten ist."
Jürgen Levien, freier Autor, erklärt: "Wenn ich die ganzen Stunden zusammenrechne und teile das durch meine Gage, komm ich oft auf einen Stundenlohn unter sieben Euro und wenn ich an der Tankstelle arbeite, bekomme ich 7,50 Euro."
Freie Tonassistenten, Kameraleute, Autoren, ob in Köln, Frankfurt oder Hamburg haben eigentlich einen Traumjob, sind immer unterwegs, berichten über Neues, alles fürs Fernsehen.
Freier Tonassistent: "Wenn man nach 14 Stunden Arbeit Auto fährt und dann einen Unfall baut, ist man selber schuld. Nur um Hotelkosten zu sparen, wird man genötigt, Auto zu fahren."
Jürgen Levien: "Natürlich arbeite ich als Autor und Realisator, weil ich immer noch Leidenschaft für den Beruf habe, weil ich immer noch Geschichten aufdecken möchte, weil ich immer noch hinter die Kulissen blicken möchte und das dann auch dem Zuschauer zeigen möchte."
Stefan Nowak: "Aber was vergessen wird, ist der Preis, den man dafür zahlt. Man hat eigentlich keine planbare Freizeit, weil man ist dauernd auf dem Sprung."
Mehr Arbeit für weniger Geld
Immer in Bereitschaft, immer mit einem Blick aufs Handy – das ist für viele kein Problem, wenn der Traumjob in der Fernsehbranche noch gutes Geld bringen würde. Aber das hat sich geändert.
Stefan Nowak: "Wir haben seit schätzungsweise 20 bis 25 Jahren in unserer Branche dieselben Tagessätze, dieselben Honorare. Wenn man das mal vor dem Hintergrund der allgemeinen Inflation und auch der Euro-Einführung sieht, schätze ich mal, dass wir locker einen Kaufkraftverlust von 40 bis 50 Prozent haben."
Jürgen Levien: "Ich habe noch einen 400-Euro-Job nebenher, den ich an den nicht gebuchten Tagen ausübe."
Mehr Arbeit für weniger Geld, wirkt sich das auf die Qualität auf dem Bildschirm aus?
Stefan Nowak: "Die handwerkliche Qualität sinkt, die inhaltliche Qualität sinkt. So und auf diese Art und Weise haben wir auf der einen Seite ein grottenschlechtes primitives Fernsehen, an das aber in seiner miserablen Qualität die Zuschauer auch gewöhnt worden sind."
Wer sind die Verantwortlichen? Sind es die privaten Produktionsfirmen, die immer stärker die Preise drücken, mit Chefs, die in dicken Autos vorfahren und Mitarbeiter kurz halten?
Freier Tonassistent: "Da hab ich dreieinhalb Wochen gearbeitet, der Produzent hat sich während der Dreharbeiten einen nagelneuen Jaguar gekauft, am letzten Tag haben die Konkurs angemeldet. Geld hab ich nie bekommen."
Thomas Frickel in Rüsselsheim arbeitet seit Jahrzehnten als Produzent für aufwendige Dokumentationen und für verschiedene Sender: "Also es ist sicher so, dass es diese schwarzen Schafe gibt, ja. Anständige Produzenten werden sich natürlich bemühen, ihre Mitarbeiter auch anständig zu bezahlen. [...] Das heißt, man muss Aufträge ranschaffen und ist auch bereit, notfalls Verträge zu schließen, nur damit der Laden am Laufen gehalten wird, die man eigentlich gar nicht mehr schließen dürfte. Und leider ist es so, dass die Auftraggeber diese Situation ausnutzen und versuchen, in diesem Bereich noch mehr zu drücken und zu sparen."
Viel Geld im System
Dabei müsste genügend Geld da sein. Unternehmen wie RTL oder auch ProSiebenSat.1 verzeichnen satte Gewinne und bei den Öffentlich-Rechtlichen Sendern müssten die Gebühren Planungssicherheit geben. ARD und ZDF haben zwar im vergangenen Jahr mit siebeneinhalb Milliarden Euro knapp 60 Millionen weniger eingenommen als im Vorjahr. Für hochdotierte Verträge mit Günter Jauch und Thomas Gottschalk, für die Bundesliga und den Eurovision Song Contest hat es gereicht.
Stefan Nowak: "Wenn man sieht, was für Fuhrparke unterhalten werden, was für Kameralager unterhalten werden, was für Lichtlager unterhalten werden, was für Gebäude unterhalten werden. [...] Oder wie Sportveranstaltungen gecovert werden. Dann ist schon klar, wo das ganze Geld hingeht."
Thomas Frickel: "Und dieses Geld wird dann eben dort rausgeschnitten wo freie Aufträge vergeben werden. Und letzen Endes sind es dann die freien Mitarbeiter und die freien Produzenten, auf denen ein großer Teil dieser Sparauflagen lastet."
Kaum eine Lobby
Eine echte Lobby haben die selbständigen Mitarbeiter vom Fernsehen nicht. Sie sind zu viele und viel zu oft Einzelkämpfer. Dabei gibt es Interessenvertretungen für freie Journalisten, den Deutschen Journalistenverband oder Verdi. Bei beiden liegen erstaunlicherweise kaum Beschwerden von Freien aus der Fernsehbranche vor. Wenn Medienleute wie in diesem Sommer demonstrieren, sind sie aus dem Print-Bereich.
Jürgen Levien: "Autoren untereinander sind nicht sehr solidarisch, Kameraleute untereinander sind nicht sehr solidarisch. [...] Immer wenn sich da zwei, drei Leute einig sind, kommt einer dazu, unterbietet den Preis und der macht es dann halt."
Für die Gewerkschaft keine einfache Aufgabe. Denn es fehlt oft an den entscheidenden Voraussetzungen. Kathlen Eggerling, Gewerkschaftssekretärin von Verdi, meint: "Auf alle Fälle, was dafür auch notwendig ist, ist, dass die Freien, die für diese Sender arbeiten sich organisieren und sagen, hier, da müssen wir an die Honorare ran, und das ist dasselbe Prinzip. [...] Also, als einzelner Gewerkschaftssekretär, ohne zu wissen, was die Freien möchten, die in diesem Bereichen arbeiten, ohne dass die sich organisieren, wird das nicht funktionieren. Da wird mich ja jeder Sendervertreter auslachen, wenn ich da auf die los marschiere."
Eine kraftvolle Unterstützung ist aus dieser Richtung vorerst also nicht zu erwarten. Dennoch, es bewegt sich etwas: Die selbständigen Kameraleute vernetzen sich in Verbänden, kämpfen gemeinsam. Etwa gegen die jährlichen Produktionsverträge, die immer schlechter wurden.
Hans-Joachim Esser-Mamat, Vorstand des Bundesverbands Fernsehkameraleute, meint: "Dann haben wir diese Verträge quasi juristisch überprüfen lassen, im Interesse der Kameraleute und sind dann mit den entsprechenden Auftraggebern in Verhandlungen getreten und haben also diese Missstände auch ausräumen können."
Eine einfache Möglichkeit gibt es im Internet: Firmen-Bewertungsportale. Bei einem hat beispielsweise der NDR vier Bewertungen und 1.754 Leser. Unter den Gründern solcher Bewertungs-Portale waren Mark und Martin Poreda: Auf ihrem Portal vergeben Mitarbeiter Punkte an ihre Arbeitgeber. Die Kommentare werden redaktionell geprüft, damit keine Lästerseiten entstehen.
Martin Poreda: "Jedes Unternehmen, das Dreck am Stecken hat, unter Anführungszeichen, wird auch so weiter machen, wenn kein Druck von außen herrscht und es keinen Zwang hat, sich zu verändern. Also Social Media nutzen, um es publik zu machen."
Natürlich hätten wir die Sender gerne mit Beispielen konfrontiert, aber die Betroffenen wollten nicht konkret werden.