Die Pro-Brender-Populisten in der Politik
Nikolaus Brender ist also weg und nicht mehr Chefredakteur des ZDF, weil der hessische CDU-Ministerpräsident Roland Koch es so wollte. Man kann nicht behaupten, dass das lautlos vonstatten gegangen wäre. Wer was auf sich hielt, äußerte öffentlich seine Empörung. Journalisten, Publizisten, Intendanten, Herausgeber und vor allem auch Politiker schimpften laut und deutlich über das ZDF im Würgegriff der CDU. Genützt hat es nichts. Was folgt denn jetzt eigentlich auf die große Aufregung? Zapp über politische Maulhelden, die ihren großen Worten dann doch keine Taten folgen lassen.
Gegen Roland Koch (CDU) haben alle gekämpft. Vergeblich. Journalisten, Staatsrechtler und Politiker. Vor allem die SPD hat sich als Retter der Rundfunkfreiheit inszeniert, als Kämpfer für den unabhängigen Journalismus in Deutschland. So meinte Kurt Beck (SPD), Ministerpräsident Rheinland-Pfalz: „Damit ist eben ein schwerer Schaden für das ZDF und für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk insgesamt entstanden.“ Und Klaus Wowereit (SPD), Regierender Bürgermeister Berlin, erklärte: „Hier wird ein hervorragender Journalist auf dem parteipolitischen Tableau der CDU geopfert und das ist ein riesiger Skandal.“ Ein riesiger Skandal aber ist, dass hinter den Fassaden des ZDF im Verwaltungsrat Regierungsvertreter das Sagen haben. Politiker kontrollieren so die Journalisten, die eigentlich die Politiker kontrollieren müssten. Eine widersinnige Abhängigkeit. Staatsrechtler zweifeln deshalb, ob die Zusammensetzung des Verwaltungsrats überhaupt rechtens ist. Hubertus Gersdorf, Professor für Kommunikationsrecht, meint: „Vielleicht findet sich jetzt endlich der politische Mut, einen Antrag beim Bundesverfassungsgericht zu stellen, damit das Bundesverfassungsgericht zu diesen zentralen Fragen unserer Demokratie verbindlich Stellung nehmen kann.“
Politiker sind gefragt
Absurd daran ist, dass nur die Politiker selbst vor dem Bundesverfassungsgericht klagen können, zum Beispiel eine Landesregierung wie die von Kurt Beck. Doch Kurt Beck antwortet auf die Frage eines Journalisten, ob er klagen werde: „Das werde ich zuerst mal prüfen und ich habe angeregt, dass all die Verfassungsrechtler und Medienrechtler und Journalisten und Wissenschaftler und die Politik miteinander zuerst mal in einen Dialog treten und mal prüfen, was war denn verantwortlich.“
Michael Jürgs, Publizist, meint: „Es ist feige. Es ist ganz einfach fast noch schlimmer als die Schurken, die das angerichtet haben, weil die, die vorlaut getönt haben, wir stehen hinter Brender, das ist hier die Pressefreiheit und Demokratie, hätten genauso vors Mikrofon gemusst: Und hiermit verkündige ich, der Länderchef von XY werde die Verfassungsklage einreichen. Punkt. Dann wissen wir, woran wir sind.“ Bis heute wird vorlaut getönt, aber nicht gehandelt.
SPD-Ministerpräsident Klaus Wowereit äußert sich wie seine Parteifreunde gerne zum Fall Brender. Wowereit meint auf die Frage, ob er klagen werde: „Ach, wissen Sie, das ist keine juristische Auseinandersetzung, finde ich. Ich weiß nicht, ob jemand klagt oder nicht. Ist mir auch ehrlich gesagt relativ egal.“ Egal. Dabei könnte seine Klage entscheidend sein. Weiter meint Wowereit: „Ich finde, das muss ein Aufstand kommen der Anständigen und diejenigen, die Pressefreiheit verteidigen wollen.“ Er könnte den Aufstand anführen und die Pressefreiheit verteidigen. Doch handeln will er nicht. Die Klage, sie ist ihm ja egal. Für Michael Jürgs besteht „die moralische Grundhaltung von Wowereit [...] darin, dass er große Worte findet und wenig Taten folgen lässt. [...] Nichts ist geschehen. Das passt zu dem Bild, was ich vorhin meinte: Die Feigheit derer, die jetzt das Maul aufreißen“.
Rückzug der Politik aus den Gremien?
Monatelang haben vor allem Politiker das Maul aufgerissen, um sich mit ihrem angeblichen Einsatz für Nikolaus Brender zu profilieren. Denn er gilt als unabhängiger Journalist, als Opfer politischer Machtspiele. Auch der Bundestag könnte sich nun für mehr Staatsferne beim ZDF einsetzen, so wie es viele Abgeordnete vor Monaten angekündigt hatten. So meinte Fritz Kuhn (Bündnis 90/Die Grüne) im März diesen Jahres: „Wir haben ein 'Staatskanzleirundfunkwesen' in der Bundesrepublik Deutschland inzwischen und das gehört geändert.“ Lothar Bisky (Die Linke) sagte damals: „Wir sind für den Rückzug unserer Vertreter, wenn die anderen Parteien mitmachen, aus den Gremien.“
Die großen Parteien aber wollen sich nicht aus den Gremien zurückziehen und so bleibt den kleinen nur der Weg vors Bundesverfassungsgericht. Dafür brauchen sie ein Viertel der Abgeordneten des Bundestages. Gregor Gysi (Die Linke) sagt: „Wir haben uns bereit erklärt, schon im Vorstand, dass wir Unterschriften leisten werden für eine Organklage. Nun geht es aber darum, dass das Grüne und wir alleine nicht schaffen, wir brauchen ja ein Viertel der Abgeordneten des Bundestages und deshalb appelliere ich an die Mitglieder aller anderen Fraktionen, sich dieser Organklage anzuschließen.“ Und Tabea Rössner (Bündnis 90/Die Grünen) erklärt: „Diese Diskussion ist sehr wichtig und ich bin optimistisch und hoffe, dass wir genügend Unterstützung bekommen.“
Keine Klage der FDP
Unterstützung müsste eigentlich von der FDP kommen. Sie versteht sich als Partei für Freiheitsrechte. Auch sie hat schon vor Monaten für mehr Staatsferne plädiert. So meinte Hans-Joachim Otto (FDP) im März: „Es ist allerhöchste Zeit, die Aufsicht, die Aufsicht über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk grundlegend zu reformieren. [...] Beenden Sie bitte das unwürdige Spiel der parteipolitischen Pression.“ Die FDP selbst könnte es beenden, könnte gemeinsam mit den Grünen und der Linken das Verfassungsgericht anrufen. Doch heute regiert sie mit der CDU. Nun will sie nicht mehr klagen. Und so bleibt das ZDF weiter in den Fängen der Politik trotz aller Empörung. Hubertus Gersdorf meint: „Die Strukturen müssen so geschaffen sein, dass die Politiker nicht das erreichen können, was sie erreichen wollen, nämlich Einfluss auf die publizistische Tätigkeit zu gewinnen. Deswegen brauchen wir eine klare Vorgabe, dass Politiker im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk nicht sitzen dürfen.“