Zwischen penibler Sauberkeit und Überwachung
Stefan Schaaf berichtet seit 2012 als Korrespondent der ARD über Spanien, Portugal und die Maghreb-Staaten Tunesien, Algerien und Marokko. Zuvor war er als Korrespondent in Johannesburg und in Mexiko. Schwerpunkte seiner Berichterstattung sind neben Euro-Krise und Flüchtlingsströme auch die Veränderungen durch den arabischen Frühling im nördlichen Afrika.
Was hat Sie bis jetzt in Ihrer Korrespondenten-Wahlheimat am meisten beeindruckt?
Stefan Schaaf: Wenn das so einfach wäre mit der Wahlheimat - ich hab ja gleich mehrere. Mit Spanien und Portugal lebe ich mitten in Europa, und dann, gleich eine Flugstunde südlich, finde ich mich in den Maghreb-Staaten Marokko, Algerien, Tunesien wieder, und damit in einer ganz anderen Welt. In Madrid hat mich, nachdem ich vorher in Mexiko gearbeitet habe, die Sauberkeit beeindruckt. Ich dachte schon, ich wäre falsch geflogen und in Zürich gelandet. Hier werden die Bürgersteige täglich gefegt. Und im Maghreb beeindruckt, oder besser nervt, die Überwachungsmanie. Sobald die Kamera ausgepackt ist, kommt der erste Polizist angeschossen und will eine Drehgenehmigung sehen, und das geht dann immer so weiter. Vor jedem Dreh mache ich mindestens 20 Kopien der Papiere.
Was hat Sie am meisten schockiert?
Schaaf: In Tunesien die Gespräche mit Familienangehörigen von jungen Männern, die sich dem sogenannten islamischen Staat angeschlossen haben. Deren Biografien lesen sich oft so normal: Fußball begeistert, guter Schulabschluss, gebildet, Pläne für die Zukunft. Und dann waren sie plötzlich wie verwandelt. Die Verzweiflung ihrer Familien ist mir sehr nahe gegangen.
Welche Geschichte wollen Sie unbedingt in Ihrer Zeit als Korrespondent erzählen?
Schaaf: Eine Reise durch das Herz der Sahara, das traumhaft schöne Hoggar-Gebiet im Süden Algeriens, mit vulkanischen Gesteinsformationen und imposanten Gebirgen. Hier leben auch viele Tuareg. Möglicherweise wird diese Geschichte aber ein Traum bleiben, denn diese Region gilt auch als Durchzugsgebiet für Djihadisten, die sich von Mali bis Libyen ausbreiten. Und so ist dieser Teil der riesigen Wüste derzeit sehr gefährlich.
Was ist die größte Herausforderung für die Zusammenarbeit mit den Redaktionen in Deutschland?
Schaaf: Das Interesse für Regionen zu wecken, die oft haarscharf neben den Brennpunkt-Gebieten dieser Welt liegen. Spanien und Portugal haben in der Euro-Krise nicht mehr das Drama von Griechenland, abgehakt. Und im Maghreb findet (noch) kein Krieg statt, auch fast abgehakt - es sei denn, es gibt Attentate. Aber das ist eine Herausforderung, mit der viele Kollegen zu kämpfen haben - bis zur nächsten Krise.
Was haben Sie bei jeder Drehreise dabei?
Schaaf: Ein zweites Ladegerät für das Mobiltelefon.
Was war bisher die größte Panne, die Ihnen widerfahren ist?
Schaaf: Im Madrider Hochsommer hatte ich mir durch die Klimaanlage einen Bazillus eingefangen, wurde immer heiserer und verlor die Stimme - just, als es in Tunesien einen Anschlag gab. Für die Tagesschau musste ich stündlich Live-Schalten machen, obwohl ich kaum noch reden konnte.
Mussten Sie aus Höflichkeit bei einer Drehreise schon mal Merkwürdiges essen oder trinken?
Schaaf: Da muss ich auf meine bisherigen Berichtsgebiete verweisen, Mopane-Würmer in Südafrika, und Chicha in Lateinamerika, einem Maniok-Brei, den die Köchinnen durchkauen und dann wieder in den Topf spucken. In Madrid schlage ich mich dagegen höchstens mit mittelprächtigen Tapas herum, die zu lange an der Theke gestanden haben und in reichlich Öl ertränkt wurden.
Was ist Ihr Lieblingsplatz in Madrid?
Schaaf: Die Innenstadt generell in Madrid, ihr Nachtleben und der Umstand, dass man sich völlig frei bewegen kann. Ein Umstand, den man nach langen Jahren in Johannesburg und Mexiko-Stadt besonders zu schätzen weiß.
Wie sieht für Sie ein perfekter Sonntag aus?
Schaaf: Nix Besonderes: keine Bereitschaft, lange schlafen, die Wochenendausgabe von "El Pais" lesen, und dann mit der Familie im Retiro-Park mitten in Madrid spazieren gehen.
Was vermissen Sie am meisten aus Ihrer Heimat?
Schaaf: Das satte Tiefgrün der deutschen Natur. Davon kann man im ausgedörrten Madrid nur träumen, allerdings weiß ich auch, dass ständige Dauerberieselung in deutschen Breitengraden für dieses Grün verantwortlich ist.