"Widerspruchsgeist ist beeindruckend"
Richard C. Schneider leitete von 2006 bis 2016 das ARD-Studio in Tel Aviv. Er berichtete hauptsächlich aus Israel und den Gebieten der Palästinenser, insbesondere den autonomen Gebieten Gaza und Westjordanland. Die zähen Friedensverhandlungen, die permanente Terrorbedrohung sowie das schwierige Miteinander dreier Weltreligionen, waren seine größten Herausforderungen im Korrespondentenalltag. Im Interview erzählt er aber auch von Themen abseits von Krieg und Gewalt. Seit März 2016 ist er Leiter des ARD-Studios in Rom.
Auf Twitter können Sie Richard C. Schneider folgen unter: @rc_schneider.
Herr Schneider, was hat Sie bis jetzt in Ihrer Korrespondenten-Wahlheimat am meisten beeindruckt?
Richard C. Schneider: Die Verweigerung, Hierarchien anzuerkennen und: "We won't take 'No' for an answer", also der Widerspruchsgeist, das Out-of-the-box-Denken.
Was hat Sie am meisten schockiert?
Schneider: Die zunehmende religiöse Fundamentalisierung der Gesellschaft.
Welche Geschichte wollen Sie unbedingt in Ihrer Zeit als Korrespondent erzählen?
Schneider: Viele Geschichten konnte ich bereits erzählen. Aber es gibt noch viele, etwa die Geschichte der "Mir"-Jeshiva, einer jüdischen Religionsschule in Jerusalem, in der rund 20.000 Studenten gleichzeitig lernen, ein unglaublicher Mikrokosmos, in dem wir als allererste überhaupt schon mal drehen durften. Ein großer Film müsste aber noch gemacht werden.
Was ist die größte Herausforderung für die Zusammenarbeit mit den Redaktionen in Deutschland?
Schneider: Sie davon zu überzeugen, dass es außer Gewalt und Krieg in Israel und der PA (Anmerk. d. Red.: Palästinensische Autonomiebehörde) auch noch andere berichtenswerte Dinge gibt: Kultur, Mode und viele andere.
Was haben Sie bei jeder Drehreise dabei?
Schneider: Rucksack mit allem, was nötig ist, notfalls auch länger zu bleiben als geplant.
Was war bisher die größte Panne, die Ihnen widerfahren ist?
Schneider: Zum Glück ist uns noch nie eine wirklich schlimme Panne widerfahren. Ärgerlich ist es allerdings, wenn die Technik im entscheidenden Moment versagt und eine Liveschalte in einer "BreakingNews"-Situation nicht klappt.
Mussten Sie aus Höflichkeit bei einer Drehreise schon mal Merkwürdiges essen oder trinken?
Schneider: Merkwürdig nicht - es handelte sich um ein arabisches Reisgericht mit Huhn. Doch das Essen fand bei Beduinen im Zelt statt und der Patriarch reichte mir mit seinen dreckigen Händen das Essen, das in unglaublich schmutzigen Töpfen gekocht wurde. Es lag auf dem Sandboden, oder besser: auf altem Zeitungspapier auf dem Sandboden. Zugleich war das eine ganz besondere Ehre, denn er wählte die "besten Stücke" aus. Ich war mir sicher, dass ich die nächsten Tage totkrank im Bett liegen werde - doch zum Glück geschah nichts dergleichen.
Was ist Ihr Lieblingsplatz in der Stadt, in der das Studio liegt?
Schneider: Der Kaffee-Kiosk auf dem Rothschild-Boulevard in Tel Aviv ganz in der Früh. Eine fröhliche Mischung aus Bohème, Joggern, Intellektuellen und Bildungsbürgertum trifft sich da. Und der Kaffee ist großartig.
Wie sieht für Sie ein perfekter Sonntag aus?
Schneider: In meinem Fall ist das ein perfekter Shabbat. Denn der Sonntag ist in Israel und in den PA ein ganz normaler Arbeitstag. Ein perfekter Shabbat: Ganz sicher ohne Anruf der Tagesschau-Redaktion, dass man ein Stück für den Abend will. Ansonsten: ausgiebiges Frühstück, Zeitungen, Sport. Und: ein Nachmittagsnickerchen.
Was vermissen Sie am meisten aus Ihrer Heimat?
Schneider: Familie und alte Freunde.