Ausnahmezustand: Viele kleine Dinge verändern den Alltag
Christian Feld lebt und arbeitet seit Ende 2011 in Brüssel. Als Korrespondent im ARD-Europastudio berichtet er über den Euro, die Verhandlungen mit Griechenland und die Flüchtlingskrise. Außerdem interessiert ihn, wie das Internet unser Leben verändert und wie die europäische Politik darauf reagiert. Zu seinem Berichtsgebiet gehören Belgien, die Niederlande und Luxemburg. Christian Feld stammt aus Rheine und hat Politikwissenschaften studiert. Vor Brüssel hat er auch in den ARD-Studios New York, Paris und Warschau gearbeitet. Wir haben während des Ausnahmezustands in Brüssel nach den Pariser Terroranschlägen mit ihm gesprochen.
Auf Twitter können Sie Christian Feld folgen unter: @ChrFeld.
Herr Feld, wie haben Sie den Ausnahmezustand in Brüssel erlebt?
Christian Feld: Es waren viele kleine Dinge, die den Alltag verändert haben. An einem Morgen bin ich durch einen Hubschrauber wach geworden, der über meinem Viertel schwebte. Auf dem Weg zur Arbeit kam ich an einer Kontrolle vorbei, bei der vier Polizisten den Rucksack eines Mannes durchsuchten. Im Supermarkt musste ich dann selbst meine Tasche öffnen. Vor einem Fastfood-Laden standen zwei schwer bewaffnete Soldaten. Das sind Erlebnisse, die in anderen Gegenden der Welt vielleicht üblicher sind - in Brüssel aber nicht.
Wie schaffen Sie den Spagat zwischen dem Profi in Ihnen, der über die Ereignisse in Brüssel sachlich berichten soll und dem privaten Menschen Christian Feld, der auch persönlich als Einwohner dieser Stadt betroffen ist?
Feld: Das ist schwer zu sagen: Das professionelle Arbeitsumfeld, also das sichere Studio, baut sicher eine gewisse Distanz auf. Doch spätestens, wenn wir rausgefahren sind zum Drehen, gab es diese "Schutzhülle" nicht mehr. Dann ist man mittendrin. Und es geht ja auch nicht nur um mich. Wir haben im Studio sehr viel Wert darauf gelegt, dass wir uns bei aller journalistischen Pflicht nicht in Gefahr bringen. Das sind selbst die spektakulärsten Bilder nicht wert. Als Korrespondenten haben wir hier Verantwortung für das gesamte Team. Wir haben zum Beispiel entschieden, dass wir im "Problemviertel" Molenbeek anfangs nicht mit der normalen großen Kamera drehen. Das hatte in der Vergangenheit häufiger für schwierige Situationen gesorgt. Später waren dort so viele Polizisten und Journalisten unterwegs, dass wir kein Problem mehr gesehen haben.
Wie gehen Sie mit Ihrer Angst um?
Feld: Es fällt mir schwer, das jetzt schon zu beantworten. Darüber muss ich in ruhigeren Momenten nachdenken.
Hat sich Ihr Blick auf die belgische Gesellschaft seit den Terroranschlägen verändert? Wenn ja, wie?
Feld: Also zunächst einmal habe ich die Menschen - vor allem in Brüssel - sehr bewundert. Die haben diese Ausnahmesituation sehr gelassen hingenommen und haben sich flexibel darauf eingestellt, zum Beispiel auf geschlossene Schulen und Metros. Hut ab! Immerhin ging die intensive Phase fast eine Woche lang. Natürlich habe ich auch darüber nachgedacht, ob der belgische Staat in der Vergangenheit alles richtig gemacht hat. Aber auch hier warne ich vor schnellen Antworten. Manche Medien haben Belgien "failed state", also gescheiterten Staat, genannt. Das sehe ich nicht so. Es gibt hier sicher einiges zu verbessern. Andererseits hat dieser Staat dafür gesorgt, dass es in Jahrzehnten noch keinen Anschlag auf die EU-Institutionen gab.
Was hat Sie bis jetzt in Ihrer Korrespondenten-Wahlheimat am meisten beeindruckt?
Feld: Es ist immer wieder beeindruckend, wie kompromisslos die Motorrad-Eskorten die Limousinen von Gipfel-Teilnehmern durch den dichten Brüsseler Verkehr manövrieren. Ebenfalls beeindruckend: der Hafen von Rotterdam.
Welche Geschichte wollen Sie unbedingt in Ihrer Zeit als Korrespondent erzählen?
Feld: Ich hätte gerne mehr Zeit für Geschichten jenseits von Gipfeln und Krisen. Einen Traum habe ich mir aber doch erfüllt. Zur Einstimmung auf die Fußball-WM haben wir einen Helden meiner Jugend getroffen: Jean-Marie Pfaff, früher Torwart von Bayern München und der belgischen Nationalmannschaft. Nach dem Interview durfte ich in seinem Garten einen Elfmeter gegen ihn schießen. Leider verschossen. Aber er hatte ja auch Heimspiel.
Was ist die größte Herausforderung für die Zusammenarbeit mit den Redaktionen in Deutschland?
Feld: Über mangelnden Raum in den Sendungen können wir uns nicht beklagen. Gelegentlich würde ich mir etwas mehr Zeit für Recherche und Verstehen wünschen, bevor die nächste Tagesschau-Ausgabe ansteht.
Was haben Sie bei jeder Drehreise dabei?
Feld: Viele Drehreisen führen nur um die Ecke zum EU-Parlament oder zur Kommission. Aber etwas Lesestoff schadet nie. Wer weiß schon wirklich, nach wie vielen Stunden eine Sitzung beendet ist.
Was war bisher die größte Panne, die Ihnen widerfahren ist?
Feld: Das war beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Ich komme nach einer Live-Schalte in das Gebäude zurück und bitte die serbische Delegation um eine Stellungnahme der kroatischen Seite.
Mussten Sie aus Höflichkeit bei einer Drehreise schon mal Merkwürdiges essen oder trinken?
Feld: Erstaunlicherweise nein. Ob Zypern, Litauen, Portugal oder Irland - ich habe bei Drehreisen sehr viel essen dürfen, was überraschend lecker war.
Welcher ist Ihr Lieblingsplatz in Brüssel?
Feld: Die Gegend rund um die Kirche Saint-Boniface.
Wie sieht für Sie ein perfekter Sonntag aus?
Feld: Joggen im Park am belgischen Königspalast. Beim Frühstück in einem meiner Lieblingscafés lese ich nach, wie überlegen der 1. FC Köln gegen Bayern München gewonnen hat. Aber perfekt sind Sonntage ja leider nur gelegentlich.
Was vermissen Sie am meisten aus Ihrer Heimat?
Feld: Wer in Belgien lebt, hat es bei Bedarf nicht so weit bis zur Heimat.