Sohn eines Kriegsverbrechers rechnet mit seinem Vater ab
von Corinna Below
Vor 74 Jahren wurde sein Vater gehängt. Er denkt fast täglich an ihn. Oft schaut Niklas Frank sich das Totenfoto an. Dieser Vater lässt ihn nicht los, in Zeiten der AfD schon gar nicht. Denn er hat ihn im Ohr, wenn er Gauland und Co. reden hört. "Sie kopieren ihn", sagt er. Jetzt hat der ehemalige Stern-Journalist und Sohn von Hitlers Stellvertreter und Generalgouverneur Hans Frank wieder ein Buch veröffentlicht: "Auf die Diktatur - Die Auferstehung meines Nazi-Vaters in der Deutschen Gesellschaft. Ein Wutanfall von Niklas Frank."
Den Vater als Vogelscheuche
Niklas Frank lebt seit fast 40 Jahren in der Nähe von Itzehoe in einem kleinen Dorf. Dort hat er vor sechs Jahren eine Vogelscheuche aufgestellt - direkt am Schwimmteich. Sie trägt den Nazi-Mantel seines Vaters Hans Frank, den Niklas von der Familie des US-Militär-Angehörigen bekommen hatte, der den Vater verhaftet hatte - das war am 4. Mai 1945. Wenn er aus dem Wohnzimmerfenster blickt, kann er die Vogelscheuche sehen. "Das hat er verdient", sagt der Autor. Damit der Mantel nicht verwittert, ölt er ihn ein bis zweimal im Jahr ein.
Familienverhältnisse und emotionale Distanz
Eines hat Niklas Frank nie verlassen: sein dunkler Humor. Dieser ist vielleicht immer schon seine Überlebensstrategie gewesen bei seiner Lebensgeschichte und dem Erbe, das ihm seine Eltern und allen voran der Vater hinterlassen haben. Es gibt eine Szene, die Niklas Frank nachhaltig geprägt hat: da lief er, drei Jahre alt, im königlichen Speisesaal auf der Wawel (dem Amtssitz bei Krakau) um den Tisch herum, weil er auf den Arm seines Vaters wollte. Der sei vor ihm weggelaufen, habe gelacht und gefragt: "Was will denn der Fremdi?" Er habe geglaubt, Niklas sei gar nicht von ihm (die Eltern betrogen sich gegenseitig). Ein Glück aus heutiger Sicht, sagt er. Dadurch habe er immer eine gewisse Distanz zum Vater halten können. Seine vier älteren Geschwister hatten diese nicht.
Abrechnung mit dem Vater
Niklas Frank hat als Erwachsener mit dem Vater gebrochen. Besser passt noch das Wort "abgerechnet". Er hatte jahrelang recherchiert und Dokumente zusammengesammelt, um das Persönliche historisch einbetten zu können. Eigentlich wollte er Entlastendes finden - das Gegenteil war der Fall. 1987 veröffentlichte er das Buch "Der Vater". Ein Buch, in dem er brutal und schonungslos die Geschichte des Vaters Hans aufzeichnet, ihn bloßstellt. Er sagt: "Mein Vater war ein Massenmörder." Sein damaliger Chefredakteur beim Stern, Klaus Liedtke, erinnert sich: Alles in allem hätten sie entschlossen, mit Unbehagen, mit leichten Sorgen auch um das Leser-Echo, diese Geschichte gedruckt. "Und wie erwartet, flog uns anschließend die Geschichte um die Ohren." Ihn habe die Arbeit an der Geschichte seines Vater sehr befreit, meint Frank. Losgeworden ist er ihn aber nie. "Familie ist Familie", sagt er.