Aus für "Händler des Jahres"?
In TV-Spots und großformatigen Zeitungsanzeigen wurde damit geworben, aber in Wahrheit war es, wie sich jetzt herausstellt, eine gewaltige Verbrauchertäuschung: Die Auszeichnung "Händler des Jahres", mit der sich zahlreiche Unternehmen schmückten, ist nichts oder kaum etwas wert; jedenfalls so wenig, dass nun auch der Handelsverband Deutschland (HDE), die Organisation des Einzelhandels, bekannt gibt, er werde bei diesem Konsumentenpreis nicht mehr mitmachen. Das "Handelsblatt" wird angesichts dieser Absage ebenfalls prüfen, "wie sinnvoll eine Weiterführung der Medienpartnerschaft in 2012" ist. Das Fachblatt "Der Handel“ nennt das ganze ein "PR-Desaster".
Vergangene Woche hatte die Panorama-Reportage "Die Akte Tengelmann" offenbart, dass die Unternehmen mit völlig falschen Zahlen operierten: So hatte der Chef des Mutterkonzerns Tengelmann, Karl Erivan Haub, auf einer Pressekonferenz behauptet, 48.000 Konsumenten hätten das Tochter-Unternehmen KiK zum "Händler des Jahres" gewählt. Haub versuchte damit, Negativ-Berichte über den Textildiscounter zu entkräften. Die Panorama-Reporter enthüllten, dass in Wahrheit KiK nur von 416 Kunden bei Herrenmoden und von 1.416 Käuferinnen bei Damenmoden zum "Händler des Jahres" gewählt worden war.
HDE hatte selbst mit falschen Behauptungen geworben
Später räumte KiK ein "Missverständnis" ein. Zur Konsumententäuschung trug selbst der HDE als Veranstalter bei. Er verbreitete im Internet: "Rund 50.000 Konsumenten wählten den Buchhandel Thalia zum Händler des Jahres 2011". Die Wahrheit laut Fachblatt "Der Handel": Genau 1.503 Stimmen konnte Thalia auf sich vereinigen.Mit der Abstimmung zum "Händler des Jahres" war das holländische Marktforschungsinstitut Q&A beauftragt worden. Jetzt räumte der Handelsverband Deutschland (HDE) ein, der "Befragungs- und Forschungsansatz" habe "Schwächen" gezeigt. Deshalb werde der HDE den Preis "nicht mehr unterstützen" und den Vertrag mit Q&A nicht verlängern. Besonders fragwürdig aber bleiben in diesem Spiel die Rollen des HDE selbst und des Tengelmann-Chefs Haub. Denn der HDE hatte bereits im Juli entschieden, aus dem Preis auszusteigen. Verbandssprecher Kai Falk gab das jetzt gegenüber dem NDR zu. Der Beschluss aber wurde bisher geheim gehalten. Falk: "Wir hatten uns vorbehalten, zum Ende des Jahres darüber zu informieren."
So konnte Tengelmann-Chef Haub noch zwei Wochen später mit seiner wahrheitswidrigen Behauptung vor die Presse treten, 48.000 Kunden hätten KiK zum Händler des Jahres gewählt. Und auch andere Unternehmen wie Thalia konnten sich uneingeschränkt mit der Auszeichnung brüsten. Mehr noch: Bis heute findet sich auf der Internetseite des HDE der Satz: "Rund 50.000 Konsumenten wählten den Buchhandel Thalia zum Händler des Jahres 2011." Diese offenkundige Falschbehauptung (Thalia hatte 1.503 Stimmen erhalten) rechtfertigte der HDE gegenüber dem NDR im Nachhinein wie folgt: " An der Onlinebefragung hatten in diesem Jahr insgesamt 50.000 Konsumenten teilgenommen. Diese konnten Ihre Stimmen in 23 Kategorien abgeben und nahmen insgesamt 200.000 Bewertungen vor. Der Gesamtsieger wurde das Unternehmen, das von allen Teilnehmern die meisten Stimmen erhielt. Insofern waren mittelbar tatsächlich alle Teilnehmer der Online-Befragung an der Wahl des Gesamtsiegers beteiligt."
Selbst KiK geht auf Distanz
Inzwischen gehen allerdings einige Unternehmen selbst auf Distanz zu dem Preis: KiK gelobte gegenüber dem Fachblatt "Der Handel": "Wir planen aktuell keine weiteren kundenbezogenen Werbeaktionen mit diesem Titel." Und eine Thalia-Sprecherin sagte gegenüber dem Blatt, "dass wir diese Auszeichnung neu bewerten müssen". Allerdings werben beide Handelsketten im Internet derzeit noch immer mit der Auszeichnung als "Händler des Jahres".