Stand: 12.03.2012 00:00 Uhr

"Die wollten sparen, sparen, sparen"

von Lutz Ackermann, Malika Friedrichs
Fabrik der Firma Müller-Brot. © NDR
Seit Wochen stillgelegt: Die Fabrik der Firma Müller-Brot.

Immer noch tragen Mitarbeiter Müll aus der Backstube in den Hof. Costas Joannidis deutet auf alte Brotkisten, überzogen mit einer schimmeligen Kruste. Daneben stapeln sich Müllsäcke. "Das kommt alles von drinnen", sagt er. Ein modriger Geruch liegt über der Backfabrik nahe München, hier hat Joannidis vierzig Jahre lang gearbeitet, zuletzt als Abteilungsleiter. Und nun soll er für alles das mit verantwortlich sein, so glaubt es jedenfalls die Staatsanwaltschaft. Joannidis schüttelt den Kopf.

Es sei die Gier der Geschäftsführung gewesen, sagt er, immer wieder habe er darauf gedrängt, dass häufiger und gründlicher gereinigt werden müsse. "Aber die wollten immer nur: sparen, sparen, sparen". Jetzt haben sich auf der Werkshalle die Ratten der Lüfte versammelt: Gurrend wartet ein Pulk Tauben darauf, zu picken, was der Mensch nicht mehr essen sollte.

Schaben, Mäuse, Tauben, Maden, Kakerlaken

Drei Männer laufen an einem Schild mit der Aufschrift "Außer Betrieb" vorbei. © dpa - Bildfunk Foto: Marc Müller
Alle Bänder stehen still: Noch laufen die Reinigungsarbeiten.

Über einen Monat liegt die Produktion von Müller-Brot jetzt still, ehemals Bayerns erfolgreichster Großbäcker. Kontrolleure der Lebensmittelsicherheit des Landratsamtes Freising hatten die Hygiene schon in der Vergangenheit bemängelt, waren mehrfach in der Backfabrik in Neufahrn zur Kontrolle angerückt - insgesamt 20 Mal. 70.000 Euro Straf- und Zwangsgelder hatten sie verhängt, Teilbereiche der Fabrik zeitweise still gelegt. An den Missständen änderte es kaum etwas

Die Kontrolleure dokumentierten die Mängel, ihre Liste liegt "Panorama - die Reporter" vor: Dort ist die Rede von verkrusteten Teigresten auf Fließbändern und in Mischgeräten, von Schimmel und schleimigen Flüssigkeiten. Die Kontrolleure müssen bei ihrer Begehung geglaubt haben, sie betreten keine Backstube, sondern einen Kleintierzoo: Überall entdecken sie Schaben, Mäuse, Tauben, Maden, Kakerlaken - tot oder lebendig. Die Tiere hatte sich schon häuslich eingerichtet: "Taubennester im Bereich bis Tor 38", notieren die Lebensmittelaufseher, "Federn und Kot verunreinigen den Bereich unter den Nestern, der auch zur vorübergehenden Lagerung von Waren genutzt wird".

1.100 Jobs stehen auf dem Spiel

Im Januar 2012 reißt der Behörde endgültig der Geduldsfaden. Alle Fließbänder stehen seitdem still. Das Unternehmen konnte die Mängel nicht beseitigen und musste Insolvenz anmelden. Rund 1.100 Mitarbeiter bangen seitdem in Neufahrn um ihre Jobs. Das ist viel in einer Stadt mit gerade mal 20.000 Einwohnern. Vielleicht hatten die Behörden auch deswegen so lange gezögert.

Viele Mitarbeiter sagen, die Probleme hätten mit der Übernahme durch einen schwerreichen Investor aus Niedersachsen begonnen. 2003 kaufte der Multimillionär Klaus-Dieter Ostendorf gemeinsam mit anderen Geldgebern den Betrieb. Seitdem sei vor allem an der Hygiene gespart worden, sagt Costas Joannidis und auch sein Sohn Dimitri, wie der Vater einst Abteilungsleiter bei Müller-Brot.

Müller-Brot-Chef angeblich "schockiert"

Müller-Brot-Chef Ostendorf hat kurz nach Bekanntwerden der Hygieneprobleme öffentlich geäußert: Er sei selbst schockiert über das Ausmaß der Probleme und übernehme die Verantwortung. Bislang ist das offenbar nicht geschehen: Zuletzt wandten sich die Mitarbeiter in einem offenen Brief an Ostendorf und seinen Mitgesellschafter. Jahrelang hätten die Angestellten von Müller-Brot auf Geld verzichtet, über 12 Millionen Euro in acht Jahren, jetzt erwarte man von den Eigentümern ein finanzielles Engagement. Bislang hat die Geschäftsführung von Müller-Brot darauf nicht reagiert. Ostendorf verweist auf Anfrage von "Panorama - die Reporter" auf das laufende Insolvenzverfahren und will sich zu diesen Vorwürfen nicht erklären.

Ehemaliger Inhaber spricht von "Katastrophe"

Hans Müller, ehemaliger Chef von Müller-Brot. © NDR
Spricht von einer "Katastrophe": Hans Müller, ehemaliger Chef von Müller-Brot.

Dafür spricht jetzt der ehemalige Inhaber von Müller-Brot, Hans Müller: "Eine Katastrophe" sei das, was mit seinem alten Betrieb passiert ist, sagt er. Schon lange habe er beobachtet, dass es mit der Firma bergab ging. Man hätte den Betrieb ausgepresst und nur an seinen Profit gedacht, sagt auch Müller. Diesen Vorwurf weist Ostendorf gegenüber einer Münchner Tageszeitung zurück, er habe das alles nicht gewollt.

Inzwischen wird bei Müller-Brot wieder richtig geputzt. In zwei Wochen will man die Produktion endlich wieder aufnehmen, es soll inzwischen sogar wieder Kaufinteressenten geben. Vielleicht nimmt die Geschichte wenigstens für die Mitarbeiter doch noch ein sauberes Ende.

Dieses Thema im Programm:

Panorama - die Reporter | 12.03.2012 | 21:00 Uhr

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