Wenn Merkel nicht will, dann will sie nicht
Ist es Chuzpe oder dreist oder gar unverfroren wie Angela Merkel sich mal wieder drückt, wie sie abtaucht? Da wirft eine neue Biographie über ihr "erstes Leben" in der DDR Fragen auf - und die Kanzlerin verweigert die Antworten mit der simpelsten aller Ausreden: Sie habe keine Zeit. So hält sie es nicht zum ersten Mal, wenn es kritisch für sie wird. Und sie scheint darauf zu setzen, dass das Wahlvolk sie wieder davon kommen lässt.
In den nächsten Tagen wird das Buch "Das erste Leben der Angela M." von Günter Lachmann und Ralf Georg Reuth herauskommen. Beide sind profilierte Journalisten, ausgewiesene Autoren und Reuth zudem studierter Historiker. Reuth beteuert gegenüber tagesschau.de, alles, aber wirklich auch alles, was in dem Buch stehe, sei belegt. Angela Merkel habe ihre Vergangenheit in der DDR nachträglich "umgemodelt", damit sie ins antikommunistische Weltbild der klassischen Unions-Klientel passe.
Die heutige CDU-und Regierungschefin war dem Buch zufolge in der DDR weder die unpolitische Wissenschaftlerin, noch habe sie die deutsche Einheit gewollt. Vielmehr habe sie dem DDR-System näher gestanden, habe auch mehr politischen Ehrgeiz entwickelt, als bisher bekannt und von ihr zugegeben. Zeitweise habe sich die junge Angela M. als FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda hervorgetan.
Nun kann man Handeln und Taktieren in totalitären Systemen gewiss unterschiedlich interpretieren - vor allem im Rückblick aus sicherer Warte. Nur müssen Fragen zugelassen und beantwortet werden. Und die Buch-Autoren hatten 24 Fragen an Angela Merkel. Denen ließ die Kanzlerin durch ihren Regierungssprecher Steffen Seibert am 26. Februar 2013 antworten: "Sie freut sich über Ihr Interesse an ihrem Werdegang, sieht sich jedoch schon aus zeitlichen Gründen nicht in der Lage, Ihren sehr umfangreichen Fragenkatalog in der nötigen Ausführlichkeit zu beantworten."
Dabei hat Angela Merkel durchaus Zeit - wenn es angenehm, ja kuschelig für sie ist. Das Buch "Die Kanzlerin und ihre Welt" des Journalisten Stefan Kornelius schien ihr so gut zu gefallen, dass sie die Präsentation am 22. April 2013 mit ihrer Anwesenheit beehrte. Und bei einem Abend der Frauenzeitschrift "Brigitte" vor wenigen Tagen im Berliner Gorki-Theater antwortete sie auch auf die belanglosesten Fragen.
Drücken, Wegtauchen, Schweigen, wenn es kritisch wird - darin ist sie geübt. Kurz noch ein anderes Beispiel: So verweigerte sie sich Fragen zum Milliarden-Skandal Morsleben. Mit rücksichtsloser Brachialgewalt und gegen die Warnungen der Experten, hatte die Bundesumweltministerin Merkel Mitte der 90er Jahre durchgesetzt, dass das ehemalige DDR-Atommülllager weiter genutzt wurde. Es geriet zum gigantischen Sanierungsfall, der Steuerzahler darf die Milliarden-Zeche für Merkels strahlende Altlasten zahlen. Sie selbst entkam unerkannt und wurde Kanzlerin. Vielleicht hat sie diese raffinierte Überlebens- und Erfolgsstrategie ja auch schon in ihrem "ersten Leben" gelernt.