"Unglaublich brutal und dreist"
NDR.de: Sie haben viele Wochen recherchiert. Welchen Eindruck haben Sie von den Versicherungen?
Christoph Lütgert: Wir haben mit vielen Menschen gesprochen, Betroffene und Aussteiger, Experten und Insider. Und es wurde uns klar: Häufig gibt es bei der Schadensregulierung eine fast schon zynische Taktik des Verzögerns und Abweisens. Die wenigsten Menschen trauen sich, gegen Ablehnungsbescheide vorgehen. Manchmal ist es fast schon brutal, wie Versicherungen vorgehen. Da werden zum Beispiel abstruse Gründe vorgeschoben, offenbar um Zeit zu gewinnen oder die Versicherungsnehmer mürbe zu machen. Gerade bei Personenschäden geht es oft um sehr viel Geld.
NDR.de: Was war der Anstoß für die Recherche?
Christoph Lütgert: Ein Fernsehzuschauer hatte unsere Reportage über den "Drückerkönig" Carsten Maschmeyer und seinen AWD gesehen. Dieser Zuschauer kennt seit Jahren die Versicherungs-Opfer Dieter Wollenweber und Christine Buchholz. Beide mussten jahrelang gegen die Allianz-Versicherung kämpfen, um ihre berechtigten Ansprüche durchzusetzen. Dieser Fernsehzuschauer meinte, unser Team von "Panorama - die Reporter" könnte das Unwesen der Versicherungen genauso eindrücklich darstellen, wie wir die üblen Praktiken von Maschmeyer und seinem AWD offengelegt hatten. Dieser Mann lieferte uns schier unglaubliche Dokumente und Beweise. Sehr schnell waren wir überzeugt und legten los.
NDR.de: Was hat Sie an diesem Thema gefesselt?
Die unglaubliche Brutalität und Dreistigkeit von Versicherungen bei der Abwehr berechtigter Forderungen. Da wird Menschen, die vom Schicksal schwer geschlagen wurden und die zu Recht darauf setzen, dass die Versicherung ihre berechtigten Forderungen erfüllt, Schreckliches zugemutet.
NDR.de: Welches Recherche-Ergebnis hat Sie überrascht?
Dass diese Abwehr berechtigter Forderungen bei teuren Personenschäden regelrecht System hat. Dass seriöse Experten uns vorrechneten, dass beispielsweise bis zu 60 Prozent der Ansprüche aus Berufsunfähigkeitsversicherungen abgelehnt werden. Mit dieser Skrupellosigkeit steigern die Versicherungen ihre Profite ins Astronomische.
Wie haben sich die Versicherungen verhalten?
Die einen so, die anderen so: Wir präsentieren in unserer Reportage das erschütternde Schicksal einer jungen Managerin, die bei der Sparkassen-Versicherung eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen hatte. Jahre nach Abschluss der Versicherung wurde sie schwer chronisch krank. Sie hat immer wieder eplieptische Anfälle, kann nicht mehr arbeiten. Die Sparkassenversicherung verweigert der Frau jegliche Zahlungen, fühlt sich völlig im Recht, zeigt weder Einsicht noch Mitleid. Der Versicherungs-Gigant Allianz, der dem schwerstbehinderten Unfall-Opfer Dieter Wollenweber einen 30 Jahre langen Kampf zugemutet hatte, gab wenigstens zu, dass sich so etwas nicht wiederholen dürfe. Die Allianz behauptete auch, sie habe sich entschuldigt. Aber das war die nächste Lüge.
Wie geht es weiter?
Wir bleiben dran, sammeln weitere Geschichten von Versicherungs-Opfern und werden das Thema im September im Ersten zeigen.