Panorama - die Reporter

Spannervideos - die Suche nach den Tätern

Dienstag, 04. Februar 2020, 21:15 bis 21:45 Uhr
Donnerstag, 06. Februar 2020, 02:15 bis 02:45 Uhr

Stellen Sie sich das mal vor: Sie gehen zur Toilette, jemand filmt sie heimlich dabei und stellt ein Video davon später auf eine Pornoseite. So etwas mag nach einem extremen Einzelfall klingen, tatsächlich finden sich online hunderttausende solcher Videos weltweit. Reporterin Patrizia Schlosser dringt undercover in das Netzwerk dieser Leute ein. Die Täter hinter solchen Videos kommen auch aus Deutschland.

Solche Spanner machen mit versteckten Minikameras heimliche Aufnahmen in Umkleidekabinen, Duschen, öffentlichen wie privaten Toiletten. Betroffen sind vor allem Frauen - und zwar aller Altersklassen, Minderjährige genauso wie 70-Jährige. Ein Netzwerk an Spannern nutzt Pornoseiten wie "xHamster" als Plattformen, um solche Videos zu verbreiten, zu tauschen, und in manchen Fällen auch, um sie zu verkaufen.

Undercover im Spanner-Netzwerk

STRG_F-Reporterin Patrizia Schlosser bei ihrer Recherche zum Thema Spannervideos. © NDR/STRG_F
Reporterin Patrizia Schlosser bei ihrer Recherche.

Als ich mit meiner Recherche beginne, ist es Februar 2018. Noch weiß ich nicht, wie lange ich mich auf "xHamster" bewegen werde. Am Ende werde ich eineinhalb Jahre lang undercover im Spanner-Netzwerk recherchieren. Der Name "xHamster" soll wohl für Sammeln und Horten stehen, Hamstern eben, und zwar pornografisches Material. "xHamster" ist die meistbesuchte Pornoseite Deutschlands. Sie hat andere Anbieter abgelöst und rangiert laut "similarweb" auf Platz neun aller besuchten Internetseiten in Deutschland. Damit kommt sie nach Seiten wie Facebook, wird aber öfter geklickt als Instagram, BILD.de und Netflix.

Diese Recherche wird mir auch als Privatperson keine Ruhe lassen. Ich entdecke Videos aus öffentlichen Toiletten, für die Kameras direkt in der Kloschüssel befestigt worden sind. Die so entstandenen Bilder sind groteske Nahaufnahmen des Intimbereichs ahnungsloser Frauen. Das Wissen, dass so etwas auch mir passieren könnte, macht mich die nächsten Monate misstrauisch - jedes Mal, wenn ich eine öffentliche Toilette benutze.

Bis zu zwei Jahre Haft für Spanner-Videos

Eine unkenntlich gemachte Person in einem Dixie-Klo. © NDR Foto: Screenshot
Mit einer auf einem Dixie-Klo versteckten Kamera wurden Frauen auf dem Festival "Monis Rache" heimlich gefilmt.

Über Monate hinweg chatte ich mit einem mutmaßlichen Täter, der Frauen auf dem Dixie-Klo eines Festivals bespannt hat und diese Videos über "xhamster" verkauft. Im Chat gebe ich mich selbst als Spanner aus und versuche mich mit ihm anzufreunden, um mehr über ihn herauszufinden. Ein Drahtseilakt.

Wer solche Spannervideos anfertigt, begeht ein Sexualdelikt und verletzt den "höchstpersönlichen Lebensbereich" einer anderen Person. Nach Paragraph 201a Strafgesetzbuch stehen darauf bis zu zwei Jahre Haft. Dazu kann die Verletzung des Rechts am eigenen Bild und Beleidigung auf sexueller Basis kommen. Es kann auch als ein sexueller Übergriff gewertet werden.

Mutmaßlicher Täter kündigte neue Videos an

Patrizia Schlosser verlässt ein Dixie-Klo. © NDR Foto: Screenshot
Patrizia Schlosser recherchierte 2018 selbst auf dem Festival und suchte die Toiletten nach Kameras ab.

Immer wieder führt diese Recherche in Graubereiche. So auch als ein mutmaßlicher Täter ankündigt, beim Festival "Monis Rache" 2018 erneut heimliche Aufnahmen auf den Dixie-Klos machen zu wollen. Wir beschließen daraufhin, die Klos auf dem Festival zu durchsuchen in der Hoffnung, die versteckte Kamera zu finden. Dafür gab es später Kritik von den Besucher*innen des Festivals. Der Vorwurf: Hätten wir nicht schon ganz früh die Festivalbetreiber über unseren Verdacht informieren müssen? Hätten dadurch nicht weitere Aufnahmen verhindert werden können?

Darüber haben wir lange nachgedacht. Doch wir wussten zum damaligen Zeitpunkt nur, dass der Verdächtige angeblich auf dem Festival arbeiten wird, allerdings nicht, in welcher Funktion. Aus dem Chat ergaben sich bis dahin keine Hinweise, die ihn identifizierbar gemacht hätten. Wären wir an die Festivalbetreiber herangetreten, wäre er gewarnt gewesen. Und das hätte bedeutet: Er hätte vielleicht nicht beim diesem einen Festival gefilmt, aber vielleicht bei der nächsten und übernächsten sich bietenden Gelegenheit. Er wäre weiterhin nicht enttarnt worden. Und das ist es ja, was wir wollten, wir wollten diesen Täter stoppen. Monate später sollten sich im Chat identifizierbare Hinweise ergeben. Damit traten wir schließlich an die Festivalbetreiber heran.

Ein weiterer Fall

In einem zweiten Fall konnte ich im Laufe der Recherche eine Frau ausfindig machen, die von einem Spanner aus ihrem privaten Umfeld betroffen ist. Ein Bekannter hatte sie dutzende Male heimlich in seinem Badezimmer gefilmt, wenn sie dort die Toilette benutzte. Als ich ihr zum ersten Mal davon erzählen will, fehlen mir die Worte. Wie erkläre ich ihr, dass ich intime Videos von ihr gefunden habe?

Die betroffene Frau hat den mutmaßlichen Täter inzwischen angezeigt. Das Verfahren läuft. Im zweiten Fall, der durch diese Recherche aufgedeckt wurde, ermittelt die Polizei inzwischen ebenfalls.

Die Gefahr ist groß, dass betroffene Frauen aus Scham schweigen. Doch damit sorgen sie nur dafür, dass die Täter weiter unbehelligt weitermachen können.

Weitere Informationen
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Autor/in
Patrizia Schlosser
Redaktion
Dietmar Schiffermüller
Produktionsleiter/in
Nicole Deblaere
Redaktion
Schiffermueller, Dietmar

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