Panorama - die Reporter
Dienstag, 07. Juni 2022, 21:15 bis
21:45 Uhr
Donnerstag, 09. Juni 2022, 00:55 bis
01:25 Uhr
Ein ehemaliger linker V-Mann will reinen Tisch machen. Eigentlich passiert so etwas nicht. Es brauchte viele Vorgespräche und mehrere Anläufe, bis Jan P. sich vor die Kamera setzte. Zehn Jahre lang hat er in den 1990er-Jahren die linksautonome Szene in Wuppertal und Solingen bespitzelt und seine Freundinnen und Freunde an den Verfassungsschutz verraten. Anschließend hat er 20 Jahre lang über sein Doppelleben geschwiegen.
"Für mich waren das skurrile Leute"
Jan P. wohnt Ende der 1980er gegenüber von einem besetzten Haus in Wuppertal. Er hat mit den Hausbesetzern wenig gemeinsam. "Für mich waren das skurrile Leute", erinnert er sich im Interview. Aber als Anwohner stören ihn damals die ständigen Auseinandersetzungen zwischen den Hausbewohner*innen und der Polizei. Ständig hätten Einsatzwagen der Polizei vor seiner Einfahrt geparkt. Darüber beschwert er sich per Telefon bei der verantwortlichen Dienststelle. So erfährt er, dass die Polizei bewaffneten Widerstand bei einer Räumung fürchtet. Jan P. bietet kurzerhand an, ins Gebäude zu gehen um sich einmal umzuschauen und die Sicherheitslage zu überprüfen.
Die Polizei ist über das Angebot des Anwohners offenbar überrascht und anfangs skeptisch, doch schnell müssen die Beamten das Potential der Quelle erkannt haben. Denn bald darauf meldet sich der Verfassungsschutz bei Jan P.. Eine jahrelange Beziehung nimmt seinen Lauf.
"Überall, wo es gekracht hat"
In den zehn Jahren seiner Tätigkeit als Vertrauensperson schickt ihn der Verfassungsschutz quer durch die Republik. Jan P. ist auf Demonstrationen in Hamburg an der Hafenstraße dabei, bei Auseinandersetzungen in Gorleben. Er berichtet von den Chaostagen in Hannover. "Ich war überall, wo es gekracht hat", erinnert sich Jan P.. Doch das Verhältnis zwischen ihm und den Autonomen beginnt sich langsam zu verändern. Jan P. schließt Freundschaften mit den Menschen, die er gleichzeitig verrät. Er ahnt zu dem Zeitpunkt nicht, in welche schwierige Situation er sich bringt. Denn nicht nur die Freundschaft zu den Autonomen wird ihm immer wichtiger, auch das Verhältnis zu seinem V-Mann-Führer wird mit den Jahren privater.
Der Brandanschlag
Als es 1993 in Solingen zu einem rassistischem Brandanschlag mit insgesamt fünf Toten kommt ist V-Mann Jan P. vor Ort. Er soll für den Verfassungsschutz die Aktivitäten der Autonomen in den folgenden Tagen beobachten. Doch er wird misstrauisch, denn plötzlich taucht ein zweiter V-Mann auf - jemand mit engem Kontakt zu den rechtsextremen Tätern. Bis heute lässt Jan P. die Frage nicht los: Was wusste der Verfassungsschutz von dem Brandanschlag? Zu diesen und anderen Fragen im Fall von Jan P. wollte sich das verantwortliche Innenministerium in NRW auf Anfrage nicht äußern.
Jan P. erklärt, es sei ihm ursprünglich darum gegangen, den Staat zu schützen. Heute überwiegen seine Zweifel: War er Handlanger für die falsche Sache? "Panorama - die Reporter" fragt: Was macht ein solches Doppelleben mit Menschen, mit dem Verräter und den Verratenen?
- Produktionsleiter/in
- Sabine Grunitz
- Redaktion
- Schiffermueller, Dietmar