Sendedatum: 25.02.2014 21:15 Uhr

Ergo Pro: Auf der Jagd nach der Provision

von Nils Casjens & Elena Kuch

"In dir sehe ich eine Führungskraft", so sprechen Mitarbeiter von Ergo Pro junge Leute an. Ob im Nachtclub, auf der Straße oder im Internet. Wer bei Ergo Pro - einer Vertriebsorganisation für Ergo-Versicherungen - einsteige, könne schnell viel Geld verdienen, heißt es. Für besonders erfolgreiche Versicherungsverkäufer winken sogar Prämien wie Reisen oder eine wertvolle Uhr von Rolex. Vorkenntnisse von der Versicherungsbranche seien erst mal nicht nötig.

Grundseminar für 65 Euro

Versteckte Aufnahme aus einer Verkaufsseminar für angehende Versicherungsmakler. Auf einem Schild ist ein Smiley zu sehen.
Spaß, junge Kollegen - und vor allem Geld: das sind die Themen beim Ergo Pro Grundseminar.

Der Einstieg in den Strukturvertrieb von Ergo Pro läuft über ein sogenanntes Grundseminar. Bei Interesse und für 65 Euro Teilnahmegebühr kann jeder dabei sein. Um die Versicherungsprodukte der Ergo geht es dabei erst mal nicht. Bei einem von Panorama 3 undercover besuchten Seminar stehen andere Inhalte im Vordergrund: "Ganz im Ernst, wir sind hier alle wegen Geld. Ich war die geldgeilste Sau", ruft der Seminarleiter. Nach etwas über einem Jahr könne man bei Ergo Pro bis zu 16.000 Euro verdienen, zeigt er anhand einer Verdienstabrechnung - "wenn man Gas gibt, Vollgas!"

Verdienen an den Freunden anderer

Direkt nach dem Seminar werden die Neueinsteiger auf Kundenaquise geschickt - im Freundes- und Bekanntenkreis. Zwei Jahre lang graste Erik Schneider sein privates Telefonbuch für den Ergo Konzern ab. Ein paar Versicherungen konnte er dabei vermitteln. Doch danach ging es nicht weiter, er verdiente kein Geld und schied aus dem Vertrieb wieder aus.

Claudia Gross, Versicherungsexpertin von der Radboud-Universität Nijmegen in den Niederlanden.
Die Versicherungsexpertin Claudia Gross ist sich sicher, dass Scheitern zum System gehört.

Die Fluktuation unter den Mitarbeitern im sogenannten Strukturvertrieb ist hoch. Für die Versicherungen zahlt es sich trotzdem aus: "Finanzprodukte kauft man gerne bei jemandem, dem man vertraut. Jeder Neueinsteiger bringt seine sozialen Kontakte mit, alles potenzielle Kunden für das Unternehmen. Er hat also dem Unternehmen geholfen, Gewinn zu machen, selbst wenn er am Ende wieder aussteigt", sagt Claudia Groß von der Radboud-Universität Nijmegen in den Niederlanden.

Weit verzweigtes Pyramidensystem

Ihre Erfahrungsberichte zeigen, dass die Versprechen, mit denen Nachwuchsmitarbeiter geködert werden, oft unverhältnismäßig sind. Viele verlassen den Vertrieb sogar mit Schulden, weil sie sich selbständig gemacht haben und höhere Kosten hatten als ihre Provisionen decken konnten. In dem pyramidenförmig aufgebauten Strukturvertrieb verdienen die ranghöheren Mitarbeiter an den Provisionen der Verkäufer auf den unteren Ebenen mit. Nur wer es selbst nach oben schafft und wieder neue Mitarbeiter wirbt, kommt am Ende auf seine Kosten, so Claudia Groß.

Ergo Pro: Eigenständige Kundenberatung erst nach Zertifizierung

Ergo Pro sieht kein Problem in dieser Organisationsstruktur und spricht von Einzelfällen, in denen junge Leute mit der Aussicht auf Prämien gelockt werden. Das Grundseminar habe nur den Charakter eines Informations- und Entscheidungsseminars. Dafür gebe es klare Compliance-Regeln. Entscheidend sei, dass kein neuer Mitarbeiter nach dem Grundseminar Kunden Produkte verkaufen darf. Das gehe erst nach einer mindestens dreimonatigen Zertifizierungsausbildung, die erfolgreich absolviert sein muss. Im Übrigen wolle man eine langjährige Partnerschaft zu seinen Mitarbeitern.

Claudia Gross ist sich dennoch sicher: "Scheitern gehört zum System Strukturvertrieb" und der Konzern verdiene sogar noch daran.

Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 25.02.2014 | 21:15 Uhr

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