Stand: 14.10.2013 18:00 Uhr

Wohnungsmarkt: Wehe, du wirst alt und arm

Schnaufend kämpft sich die 87-jährige Dame die Treppen zum vierten Stock hinauf. Endlich oben in ihrer Wohnung angekommen muss sich die Rentnerin erst einmal minutenlang auf dem Sofa ausruhen. Ihr Herz rast, der Rücken und die Füße schmerzen.

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Seit 25 Jahren wohnt Inge Hamann auf dem Kiez auf St. Pauli. Doch seit ein paar Jahren macht der Rücken nicht mehr so richtig mit. Eigentlich müsste die Hamburgerin umziehen, in eine barrierefreie Seniorenwohnung im Erdgeschoss. Doch derartige Wohnungen sind rar und das Budget von Inge Hamann ist begrenzt: Sie bekommt nur eine bescheidene Rente.

"Immer mehr arme alte Menschen"

Auf dem hart umkämpften Wohnungsmarkt müssen sich arme Alte wie Inge Hamann ganz hinten anstellen: Stephan Nagel von der Diakonie beobachtet einen besorgniserregenden Trend: "Im Wesentlichen ist es eine Frage des Einkommens, wer eine Wohnung bekommt und wer nicht. Da in Zukunft immer mehr alte Menschen arm sein werden, stehen sie dann oft vor der Situation, sie können nicht mehr in den dritten oder vierten Stock steigen, aber eigentlich könnten sie noch ganz gut weiter selbstständig wohnen. Aber wenn sie keine Wohnung finden zu einem angemessenen Preis, die barrierefrei ist, dann sind sie in ihrer Wohnung gefangen oder müssen, obwohl es gar nicht nötig wäre, in ein Altenheim gehen."

Mit steigenden Mieten können die Alten nicht mithalten

Renterin Edith Eberle. © NDR
Edith Eberle leidet unter steigenden Mieten.

Edith Eberle ist 88 Jahre alt und lebt in Bremen Schwachhausen, in einer Wohnanlage in der früher fast ausschließlich sozial schwache und alte Menschen wohnten. Heute aber ist die Gegend sehr beliebt, da die Universität nicht weit weg ist. Ein privater Investor kaufte 2003 die Sozialwohnungen von der Stadt. Seitdem musste Edith Eberle vier Mieterhöhungen hinnehmen. Die vorerst letzte in diesem Jahr: Um 20 Prozent wurde die Miete erhöht, auf nunmehr 470 Euro.

Für die alte Dame, die ihr Leben lang gearbeitet hat, kaum noch erschwinglich. Ihr halbes Leben hat sie hier verbracht, sie schätzt die hilfsbereiten Nachbarn, die ihr auch mal helfen die Einkäufe hochzutragen. "Wenn ich woanders hinziehe, dann habe ich ja niemanden", sagt sie. "Wenn noch eine Mieterhöhung kommt, dann ist meine Uhr abgelaufen, dann muss ich raus."

Preiswerte Wohnungen fehlen flächendeckend

Raus, aber wohin? Matthias Günther vom Pestel-Institut kennt das Problem. Stagnierende Renten und steigende Mieten treiben alte Menschen immer öfter in die Armut. "Wir haben in den vergangenen Jahren immer Verkehrsminister gehabt, aber keine Wohnungsminister. Was insgesamt fehlt, das sind preiswerte, barrierefreie Wohnungen für Rentner, die mit Renten zwischen 700 und 1000 Euro arbeiten und leben müssen", stellt der Wissenschaftler fest.

Stephan Nagel, Diakonie. © NDR
Stephan Nagel befürchtet, dass immer mehr alte Menschen in unzureichenden Wohnungen wohnen.

Eine Lösung scheint nicht in Sicht. Und so sind die armen Rentner ihren Vermietern oft hilflos ausgeliefert, denn auch wenn die Zustände in ihren Wohnungen miserabel sind, können sie sich kaum wehren. Zum einen fehlt das Geld, um in eine andere Wohnung zu ziehen, zum anderen sind Mieter jenseits der 70 offenbar nicht wirklich beliebt. Das zumindest muss Stephan Nagel von der Diakonie feststellen: "Wir hören immer wieder Berichte, dass alte Menschen von Vermietern nicht mehr akzeptiert werden, weil sie eventuell bald sterben und der Vermieter dann Probleme hat, die Miete zu bekommen oder klären muss, wie die Wohnung geräumt wird."

Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 15.10.2013 | 21:15 Uhr

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