Thumbnail: Weichgezeichnete Bilder einer dünnen bzw. mageren Person von der Plattform Instagram, dazu das Logo der Plattform © NDR Foto: Screenshot

Wie Instagram den Weg in die Magersucht weisen kann

Stand: 11.01.2022 17:00 Uhr

Viele Teenager folgen auf Instagram Influencerinnen, die unrealistische und krankhafte Schönheitsideale verkörpern. Wie die Fotoplattform Essstörungen befeuern kann, belegen interne Dokumente.

von Svea Eckert, Lena Kampf und Sulaiman Tadmory

Seit zwei Monaten ist Mia W.* im niedersächsischen Bad Bodenteich in einer Klinik. Hier will sie an Gewicht zunehmen und ihre Magersucht hinter sich lassen. Angefangen habe es während der Corona-Pandemie, erinnert sich die 16-Jährige. Sie war plötzlich viel zu Hause, hatte mehr Zeit und schaute sich zum ersten Mal Tipps zum Abnehmen und Workout-Pläne an. "Dann nimmt der Algorithmus das ziemlich schnell auf und fängt an, einem Abnehm-Tipps und kalorienarme Rezepte vorzuschlagen und immer wieder Sachen zu zeigen, wie viel Kalorien sind hier drin, wie viel Essen andere Leute, wie viel wiegen andere Leute, sodass das so eine Spirale ist, dass auf einmal die ganze Vorschlagseite quasi damit geflutet wird." Der ständige Vergleich mit den vermeintlichen Idealbildern habe ihr immer wieder gezeigt, dass sie so nicht aussehe - aber vielleicht aussehen könnte.

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Community spornt sich mit Mager-Bildern gegenseitig an

Ärztin Rebecca Knoche © NDR Foto: Screenshot
Ärztin Rebecca Knoche arbeitet täglich mit magersüchtigen Jugendlichen. Sie verweist auf den "Wettbewerb", der online unter dünnen Menschen entstehen kann.

Rebecca Knoche ist Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Seepark Klinik in Bad Bodenteich und arbeitet täglich mit Jugendlichen, die an Magersucht erkrankt sind. Plattformen wie Instagram seien nicht Grund für eine Essstörung, sagt sie, doch vor allem labile Menschen könne der ständige Abgleich des eigenen Körpers mit den digitalen Schönheitsbildern unter Druck setzen. Für Menschen, die bereits an einer Essstörung leiden, berge das Netzwerk ein besonderes Risiko: "Da sie dann immer wieder Bilder sehen von noch dünneren Menschen und sich bemühen, im Sinne eines Wettbewerbs, weiter und weiter abzunehmen."

Interne Dokumente belegen den Missstand

Instagram stand in den letzten Monaten immer wieder in der Kritik, besonders Jugendliche nicht ausreichend zu schützen. Nicht zuletzt seit die Whistleblowerin Frances Haugen tausende Dokumente des Instagram Mutterkonzern "Meta" an Journalisten und US-Behörden geleakt hat. Die sogenannten "Facebook Files" bestehen aus unzähligen internen Studien, Chats und Präsentationen. Ein Vorwurf darin: Das Unternehmen wusste, dass die Fotoplattform Instagram beispielsweise Essstörungen und Depressionen fördern kann.

In einem von NDR/WDR und Süddeutscher Zeitung neu ausgewerteten Dokument untersuchte eine Instagram-Mitarbeiterin 2021, was passiert, wenn sie ein Nutzerkonto anlegt, das sich für Gewichtsverlust interessiert. Sie folgte Profilen und Inhalten mit den Schlagworten #skinny oder #thin. Daraufhin schlug Instagram der Testnutzerin zahlreiche Konten vor, die gegen die internen Regeln verstießen. Verstöße im Bereich Essstörungen würden in den verschiedenen Märkten nicht proaktiv erkannt, berichtete die Mitarbeiterin, und gemeldete Profile würden nicht ausreichend verfolgt und gelöscht.

Instagram unter Druck

. © Screenshot
Unter Hastags wie "magersucht" werden auf Instagram mittlerweile Warnhinweise angezeigt.

Seit einigen Jahren versucht Instagram aktiv gegen gefährliche Inhalte vorzugehen. So kann nach bestimmten problematischen Hashtags gar nicht erst gesucht werden, bei anderen wie #magersucht oder #thin wird ein Warnhinweis angezeigt. Auf Anfrage heißt es von Instagram, Profile würden gelöscht, die Essstörungen verherrlichen würden, sobald man darauf aufmerksam werde. Außerdem würden problematische Profile nicht mehr automatisiert vorgeschlagen. Allerdings könne man Profile von Nutzerinnen und Nutzern nicht allein aufgrund des Aussehens blockieren oder entfernen und müsse auch Erfahrungen von Nutzer:innen mit einer Essstörung, die zum Beispiel den Prozess ihrer Genesung thematisieren, zulassen. Man versuche eine Balance zu halten.

Mia W. aus der niedersächsischen Klinik will Instagram weiter nutzen. Um Profile mit Diät-Tips oder Workout-Plänen will sie aber künftig einen Bogen machen.

*Die Namen wurden von der Redaktion geändert.

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