Umgang mit belastetem Asphalt: Wegwerfen oder nutzen?

Stand: 21.06.2022 18:36 Uhr

Bis in die 1980er-Jahre wurden große Mengen teerhaltiger Asphalt in deutschen Straßen eingebaut. Weil dieser krebserregende Substanzen enthält, landet er hierzulande nach dem Ausbau meist unwiederbringlich auf Deponien. Dabei könnte das problematische Material sinnvoller weiterverwendet werden.

von Nils Naber

Ralf Schär,  Bickhardt Bau © NDR
Würde den Asphalt gerne sinnvoll weiterverwenden: Unternehmer Ralf Schär.

Die Fräse beißt sich mit ihren metallenen Zähnen durch den Asphalt. Es knirscht und rattert. Über ein Förderband fliegen die Bruchstücke auf einen Lkw, der direkt vor der Maschine fährt. In rund drei Minuten ist ein Wagen voll mit den kleingebrochenen Straßenresten. Der nächste Lkw wartet schon. Alles Routine für Ralf Schär. Der Chef des Unternehmens Bickhardt Bau stapft über die Baustelle. "Sehen Sie hier das Glänzende, das ist Teerasphalt." Es riecht streng. Für Ralf Schär sind das eindeutige Zeichen. Das Material ist mit polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen belastet ist. Diese sogenannten PAK sind krebserregend. Beim teer- oder pechhaltigen Asphalt stecken sie im Bindemittel aus Steinkohlenteer, das bis in die 1980er-Jahre eingesetzt wurde. Seit 2018 darf das Material auch im Unterbau von Autobahnen und Bundesstraßen nicht mehr verwendet werden.

Niederlande bearbeiten Asphalt thermisch zur Weiterverwendung

Ralf Schär und seine Mitarbeiter müssen sich nun um die Entsorgung des Materials von ihren Baustellen kümmern. Dann heißt es vielfach: "wo kriege ich das Material am günstigsten unter", erklärt Schär. Günstig bedeutet in Deutschland häufig, das Material landet auf einer Deponie. Für den Unternehmer, der sich auch im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie aktiv engagiert, ist das keine gute Lösung. Denn nur ein geringer Teil das Asphalts kann auf den Deponien zum Beispiel zum Bau von Straßen oder zur Befestigung des Deponiekörpers sinnvoll eingesetzt werden. Der größte Teil wird einfach abgelagert. Dabei besteht der belastete Asphalt zu rund 95 Prozent aus hochwertigen Steinen. "Die wollen wir sinnvoll weiterverwenden," erklärt Schär.

In den Niederlanden wird deutlich, dass dies möglich ist. Hier stehen drei Anlagen zur thermischen Behandlung von teerhaltigem Asphalt. Die mit Abstand größte davon befindet sich in Rotterdam. Bei hohen Temperaturen werden hier die PAK verbrannt, zurück bleiben gesäuberter Kies und Sand. In Deutschland steht keine einzige derartige Anlage. Weil beispielsweise die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein für den bei ihnen ausgebauten teerhaltigen Asphalt eine einfache Ablagerung des Materials auf Deponien ablehnen, werden jährlich aus ganz Deutschland mehrere hunderttausend Tonnen Material in die Niederlande verschifft. Unter anderem zur Anlage der Firma A. Jansen B.V. in der Nähe von Eindhoven. Direktor Jan Busser erklärt stolz, wie sein Unternehmen bei der Betonproduktion zu rund 50 Prozent gereinigten Sand und Kies aus ehemaligem Asphalt einsetzt. In den Niederlanden gibt es nicht genug Primärkies und Sand, erklärt Busser. Das Recycling helfe.

Wie steht es um ein Deponierungsverbot?

Der Import aus Deutschland dürfte so schnell nicht versiegen. Laut Schätzungen des Bundesrechnungshofs sind im Laufe der Jahre rund eine Milliarde Tonnen teerhaltigen Asphalts in deutschen Straßen verbaut worden. Rund vier Millionen Tonnen werden derzeit pro Jahr herausgefräst. Aus der Sicht von Heinz-Ulrich Bertram ist es daher nicht nachvollziehbar, dass hierzulande nicht schon längst mehr passiert. "Es landet deshalb sehr viel auf Deponien, weil diese flächendeckend vorhanden sind", erklärt der Ministerialrat a.D., der sich bis zum Ruhestand viele Jahre im niedersächsischen Umweltministerium mit Abfall beschäftigt hat. Heute ist er im begrenzten Rahmen als Berater tätig. Aber die Deponien bräuchten Platz und hätten letztlich nur eine begrenzte Lebensdauer. "Da wir die Lösung heute technisch in der Hand haben, sollten wir künftige Generationen nicht mit dem belasten, was wir heute selbst lösen können", meint er. Doch der Bau einer Anlage zur thermischen Behandlung von Asphalt lohne sich für Investoren kaum, wenn das Material weiterhin billiger auf Deponien entsorgt wird. Bertram plädiert daher langfristig für ein Deponieverbot für teerhaltigen Asphalt. "Dieses Deponierungsverbot würde automatisch dazu führen, dass Betreiber an die Errichtung von Behandlungsanlagen investieren würden, so dass nach einer gewissen Übergangszeit eine flächendeckende Infrastruktur vorhanden wäre.“"

Olaf Lies (SPD), Umweltminister in Niedersachsen, spricht bei einem Rundgang im neuen Wildnisgebiet Solling. © picture alliance/dpa | Foto: Swen Pförtner
Kämpft für die Einführung eines Deponieverbots: Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies.

Nach einem Deponierungsverbot sieht es allerdings momentan nicht aus. Laut Bundesumweltministerium "soll zunächst kein pauschales Deponierungsverbot für diese Abfälle ausgesprochen werden." Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) kämpft dagegen schon länger für die Einführung eines Deponieverbots für teerhaltigen Asphalt. Der Politiker "bedauert sehr", dass er vor zwei Jahren im Bundesrat mit einer Initiative zur Einführung scheiterte. Vertreter aus anderen Ländern waren der Ansicht, "es gibt da noch ganz viele Flächen, die man als Deponie nutzen kann", erklärt Lies. In Niedersachsen werde der Deponieraum dagegen knapp. Aktuell wird das Thema in der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall diskutiert.

Anlage zur thermischen Behandlung von teerhaltigem Asphalt geplant

Die Interessengemeinschaft Deutscher Deponiebetreiber kann die Forderungen nach einer thermischen Behandlung von teerhaltigem Asphalt nachvollziehen. Allerdings meint der Vorstandsvorsitzende Hartmut Haeming: "Ob ein solches Tun unter ökobilanzieller Gesamtbetrachtung sinnvoll ist, ist zumindest fraglich, da die Behandlung erhebliche Gasmengen verbraucht und zusätzliches CO2 erzeugt wird." Außerdem würde die thermische Behandlung mehr kosten als die Deponierung. Davon lässt sich Michael Heinemann offenbar nicht abhalten. Er vertritt ein Tochterunternehmen der Hildesheimer Bettels-Gruppe und kommt selbst aus der Entsorgungsbranche. Aktuell plant er den Bau einer Anlage zur thermischen Behandlung von teerhaltigem Asphalt auf einem ehemaligen Hüttengelände bei Goslar, die mit wenig Energiezufuhr auskomme. Es wäre die erste derartige Anlage in Deutschland. Michael Heinemann geht davon aus, dass dieser Entsorgungsweg "nicht teurer ist als die Deponierung".

Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 21.06.2022 | 21:15 Uhr

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