Trennung durch Krieg: Wiedersehen nach der Flucht
Die ukrainische Polizistin Natascha ist ihren Kindern nach Niedersachsen gefolgt. Doch ihr Mann ist noch in der Ukraine.
Viel gesprochen wurde nicht, als die drei Geschwister nach mehreren Wochen Trennung ihre Mutter wiedersahen. Vor allem lagen sie sich viel in den Armen. Vor zwei Monaten traf Mutter Natascha eine schwere Entscheidung: Sie schickte ihre drei Kinder alleine aus der Ukraine nach Deutschland in Sicherheit. Der 16-jährige Vlad sollte auf seine beiden jüngeren Geschwister aufpassen. Natascha und ihr Mann waren im Staatsdienst und konnten die Ukraine nicht verlassen.
Dabei wollte Vlad lieber in der Ukraine bleiben und sein Land verteidigen. Erst kurz vor seiner Abreise hatte er sich als Freiwilliger gemeldet um zu kämpfen. Doch seine Mutter sagte ihm: "Du hast jetzt eine größere Aufgabe. Du musst deine Geschwister retten und Eltern für sie sein", erzählt Mutter Natascha. Das habe Vlad geholfen. Das Wissen, dass er nicht als Feigling sein Land verlässt, sondern weil er für seine Geschwister da sein muss als Elternersatz. Vlad, der dreijährige Bogdan und die 8-jährige Varja hatten Glück im Unglück. Die Eltern hatten über eine befreundete Polizistin, die inzwischen in Deutschland lebt, Kontakt nach Linsburg in Niedersachsen bekommen. Zusammen mit anderen Erwachsenen und weiteren Kindern kamen die drei Geschwister dort an. Olga Buddendiek, die selbst aus der Ukraine stammt, nahm die drei bei sich zuhause auf. Sie kümmerte sich um sie, obwohl sie selbst zwei Kinder zu versorgen hat.
Ankommen in Deutschland, doch die Sorge um den Vater bleibt
Natascha und ihr Mann hofften, dass es sich nur um eine kurze Zeit handelt, in der sie von ihren Kindern getrennt sein würden. "Am Anfang war ich einfach froh, dass die Kinder in Sicherheit waren", sagt Mutter Natascha. Doch nach ein paar Tagen sei die Sorge über ihre Kinder immer stärker geworden, das ungute Gefühl, dass die Kinder nun allein bei Fremden sind.
Nach sechs Wochen Trennung hielt Natascha es nicht mehr aus, sie kündigte ihren Job und floh selbst durch Polen in Richtung Linsburg. Ihren Kindern hat sie vorab nicht davon erzählt, aus Angst ihr Pläne könnten scheitern. Eines Morgens stand Natascha plötzlich bei Olga Buddendiek vor der Tür. Bogdan öffnete und seine Mutter stand vor ihm.
Jetzt muss die Familie in der neuen Wirklichkeit ankommen. Dank Olga und den anderen Bürgerinnen und Bürgern konnte die Familie in eine Doppelhaushälfte ziehen, die Möbel kamen über Spenden. Natascha will nun Deutsch lernen, die Kinder gehen bereits in die Kita und die Schule. Vlad hat ein Praktikum bei einer Spedition im Nachbarort gefunden. Auch wenn keiner weiß, wie lange sie in Deutschland bleiben werden, ist sein Ziel: bald ankommen. "Ich möchte integriert sein, ich möchte nicht nur als Flüchtling wahrgenommen werden", sagt er. Und trotz der Freude über all diese Dinge schwingt bei der Familie immer die Sorge mit: Der Vater ist noch in der Ukraine. Sie hoffen, dass bald alle fünf wieder zusammen sein werden. Noch ist unklar, wie lange sie darauf werden warten müssen.