Stress hinterm Steuer: Busfahrerinnen und Busfahrer am Limit
Unter Busfahrerinnen und Busfahrern im Norden herrscht Unzufriedenheit. Sie belastet Stress wegen zu eng getakteter Fahrpläne, für Ärger sorgen lange Schichtzeiten bis an die Grenzen des gesetzlich Zulässigen sowie fehlende oder verdreckte Toiletten auf der Strecke und an Endhaltestellen.
Wir treffen Andreas Wittwer in seiner Dienstpause an der Endhaltestelle der Buslinie 401. Er fährt für die Verkehrsbetriebe Wesermarsch GmbH (VBW), das Unternehmen betreibt Linien zwischen Jadebusen und Wesermündung. Vor 15 Jahren wurde er Busfahrer, seit fünf Jahren steuert er Linienbusse der VBW. Seine Touren führen ihn regelmäßig von Nordenham aus in die umliegenden Gemeinden und wieder zurück. Eigentlich mache er seinen Job richtig gerne, erzählt uns Andreas Wittwer. Wäre da nicht dieses Problem: Fehlende sanitäre Anlagen.
Grundsätzlich kann Wittwer nur auf die Toilette, wenn er sich an einer Endhaltestelle befindet. Weil sein Arbeitgeber außerhalb des Betriebshofes jedoch keine Toilettenanlagen betreibt, muss er sich anders behelfen: Beispielsweise auf Gaststätten ausweichen oder das Behindertenklo am Bahnhof benutzen. An den Endhaltestellen der meistbefahrenen Linien seien als Notlösung mobile Toiletten extra für das Buspersonal aufgestellt worden, teilen uns die VBW mit. Da die Schlösser der mobilen Toiletten wohl einfach zu öffnen sind, werden sie besonders im Sommer auch von Touristen genutzt. Die VBW räumen ein, dass es dadurch zu Verschmutzungen gekommen sei, zweimal die Woche würde jedoch gereinigt.
Vielerorts Probleme
Probleme mit fehlenden sanitären Anlagen oder dem Zustand der bestehenden Toiletten gibt es nach unseren Recherchen vielerorts. Gewerkschaftssekretär Reiner Schäl von Verdi schildert, wie Busfahrerinnen und Busfahrer den Toilettengang auf Kosten der eigenen Gesundheit zu vermeiden versuchen: "Es gibt Fälle, wo Beschäftigte dehydriert waren, weil sie zu wenig getrunken hatten." In alten, nicht klimatisierten Fahrzeugen könne das schon einmal eng werden. "Und natürlich ist man dann im Straßenverkehr auch nicht mehr ganz so konzentriert unterwegs."
Betroffen ist eine Berufsgruppe, auf die es in den kommenden Jahren besonders ankommt. Denn die von der Politik angestrebten Klimaziele sind ohne einen massiven Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) kaum zu erreichen. Bis 2030 soll die sogenannte Mobilitätswende abgeschlossen sein. Beim ÖPNV-Personal jedoch herrscht offensichtlich herber Frust sehr weit über das Toilettenthema hinaus.
Zunehmender Arbeitsdruck
Verdi-Sekretär Schäl berichtet uns auch von zunehmendem Arbeitsdruck für Busfahrerinnen und Busfahrer. Dies hänge vor allem damit zusammen, dass viele Busunternehmen die Fahrtzeiten bei ihren Linien immer mehr kürzten: "Es gibt kaum noch Puffer in den Fahrplänen, um Verspätungen rauszufahren. Und wenn man verspätet ist, hat man oft Stress mit den Fahrgästen", so Schäl. Viele Busfahrerinnen und Busfahrer macht diese Dauerbelastung so mürbe, dass sie hinschmeißen.
Vor sechs Monaten war es bei Marcus Gehrke soweit - nach 16 Jahren als Linienbusfahrer in Soltau. Wechselnde Arbeitszeiten und das tägliche Hinterherhängen im Fahrplan machten ihn krank. "Der Druck kommt von der Leitstelle, von der Firma selbst. Und es wird gesagt: der Job ist halt so." Zweimal habe er den Dienst abbrechen müssen, sei mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gekommen.
Enormer Personalbedarf
Die Gewerkschaft Verdi hat berechnet, dass es heute weitaus weniger Busfahrer gibt als noch vor 20 Jahren - obwohl die Fahrgastzahlen massiv angestiegen sind. Das sind schlechte Voraussetzungen für die Mobilitätswende. Denn der Personalbedarf für die kommenden Jahre ist enorm. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmer (VDV) kommt bei seinen Schätzungen auf 110.000 zusätzliche Stellen im ÖPNV, die meisten davon im Linienbussektor. Dazu kommen laut VDV 74.000 Stellen vorwiegend auf der Straße, die altersbedingt wiederbesetzt werden müssen. Wie soll das funktionieren, angesichts der miesen Stimmung hinterm Buslenkrad?
"Wir wissen natürlich auch, dass es an der einen oder anderen Stelle auch Arbeitsbedingungen gibt, die sicher optimierungsbedürftig sind", sagt VDV-Sprecher Lars Wagner. Man müsse Standards für Toiletten und auch Pausenräume schaffen. Zum ambitionierten Bedarf an Busfahrerinnen und Busfahrern sagt Wagner: "Das ist in der Tat ein Riesenziel für uns als Branche. Das Personalthema kann für uns unter Umständen zum Flaschenhals werden."
Riesenverantwortung ohne Wertschätzung
In Nordenham sind wir noch einmal mit Busfahrer Andreas Wittwer verabredet. Er will uns noch etwas auf den Weg mitgeben: "Wir tragen eine Riesenverantwortung, und die sollte besser wertgeschätzt werden. Die muss einfach besser wertgeschätzt werden! Wenn wir unterwegs sind und es passiert was, wir stehen ja immer mit im Boot."
Für viele Busfahrerinnen und Busfahrer fängt Wertschätzung bei den Toiletten an und hört bei den Arbeitszeiten auf.