Nachtflüge in Hannover: "Auf Kosten unserer Gesundheit"
Viele freuen sich während der grauen Wintertage auf den Sommer - nicht so viele Anwohnerinnen und Anwohner rund um den Flughafen Hannover. Sie befürchten, die Nächte von Anfang Mai bis Ende September könnten zu den bisher schlimmsten werden.
Seit Jahren steigt die Zahl der Nachtflüge am Flughafen Hannover an - während die Gesamtzahl der Starts und Landungen rückläufig ist. Betroffen sind mehr als 30.000 Menschen in der Region Hannover.
Die Zahl könnte noch weiter steigen und es könnten noch mehr Flüge werden: "Für die Nachtflugbewegungen am Hannover Airport unterstellen wir weiterhin ein durchschnittliches Wachstum", bestätigt der Flughafen. Ein Drittel des Umsatzes würde durch die Flüge in der Nacht generiert.
Ein "Mittelmeer-Turn" mehr
Als einer der wenigen Flughäfen in Deutschland hat Hannover nahezu keine Nachtflugbeschränkungen. Erst im Januar 2020 wurde die Nachtfluggenehmigung um weitere zehn Jahre verlängert. Der Trend, zwischen 22 Uhr und 6 Uhr morgens zu starten oder zu landen, lohnt sich vor allem für die Fluggesellschaften. Sie können ihre Maschinen dadurch vor allem in den Sommermonaten voll auslasten - und pro Tag einen "Mittelmeer-Turn" (Hin- und Rückflug) mehr fliegen als zum Beispiel in Hamburg möglich wäre.
Es sind deshalb vor allem Ferien-Fluggesellschaften, die in den Sommermonaten nachts vom Flughafen Hannover aus starten oder ihre Maschinen dort landen lassen.
Mehrere Bürgerinitiativen kämpfen gegen die steigende Zahl der Nachtflüge. Sie beklagen, dass der Flughafen und die Fluggesellschaften Profit auf Kosten der Gesundheit der Anwohner machen würden. Sie haben ein Gutachten in Auftrag gegeben, das beweisen soll, dass sich der Flughafen auch ohne die Nachtflüge wirtschaftlich betreiben ließe. Viele Bewohner in den betroffenen Gemeinden wohnen schon lange dort - und wissen, dass sie genau in den An- oder Abflugschneisen leben. "Als wir 1985 unser Haus gebaut haben, gab es rund 850 Nachtflüge im Jahr. 2018 waren es über 15.000", sagt Dieter Poppe von der Bürgerinitiative Bon-HA.
Der Flughafen und die Eigentümer - vor allem das Land Niedersachsen - sehen das anders. "Davon, dass der Flughafen die Gesundheit der Anwohner opfert, kann keine Rede sein", schreibt der Flughafen in einer Stellungnahme. "Der Hannover Airport hat als wichtige Verkehrsinfrastruktur Gemeinwohlfunktion und erfüllt Aufgaben der Daseinsvorsorge."
Leben unter der Flug-Autobahn
Flugrouten in Deutschland und Europa sind nicht zufällig verteilt - sie ziehen sich wie unsichtbare Autobahnen durch die Luft. Rund um den Flughafen Hannover fädeln landende Flugzeuge auf eine der vier möglichen Anflugrichtungen ein. Beim Start ist es genau so. Wer in der Nähe dieser festen Routen wohnt, bekommt den Lärm der startenden und landenden Flugzeuge ab.
Mit den neuen Regelungen, die zum Jahresbeginn 2020 in Kraft getreten sind, hat der Flughafen Hannover sehr lauten Flugzeugen verboten, nachts zu starten oder zu landen. Dazu zählen Flugzeuge wie die Antonow-12. Die Auswertung von Panorama 3 und dem NDR Datenteam zeigt, dass in den Sommernächten 2019 vor allem Boeings 737 sowie der Airbus A320 für die Fluglärmereignisse verantwortlich waren.
Selbst bei einzelnen Flugzeugtypen gibt es große Unterschiede. Das liegt teilweise am Alter der Flugzeuge und der verbauten Turbinen - aber auch an Faktoren wie der Anzahl der Fluggäste, Gewicht des Gepäcks und dem Flugziel - und damit der Menge des getankten Kerosins. Generell gilt: Je schwerer ein Flugzeug ist, umso lauter ist es beim Start.
Hoffnungen auf leisere Maschinen
Mit am schlimmsten ist es in Garbsen-Heitlingen. Dort betreibt der Flughafen Hannover die Lärmmessstation 9. Die Auswertungen von Panorama 3 und des NDR Datenteams der Fluglärmdaten dieser Station zeigen, dass die lautesten Messwerte von Maschinen der Boeing 737-Familie stammen.
Der Flughafen findet diese Werte nicht ungewöhnlich: "An den am nächsten gelegenen Messstellen werden gelegentlich Schalldruckpegel bis zu 85 dB(A) verursacht durch B738 gemessen. Das ist im Wesentlichen der bei dieser Entfernung niedrigen Überflughöhe von knapp 200 m geschuldet." An anderen Stellen sei der Schalldruckpegel sehr viel geringer.
Außerdem setzen die Verantwortlichen ihre Hoffnung in modernere Flugzeugtypen, die im Schnitt leiser sind: "Die neuen Flugzeuggenerationen A320neo, A350 und Boeing 787 helfen die Emissionen weiter zu senken. [...] Vor allem der Einsatz der Boeing 737 max der TUIfly als Homecarrier am Standort Hannover wird für weitere und spürbare Entlastung sorgen", teilt uns die Flughafengesellschaft mit. Auch TUIfly setzt auf die Boeing 737 Max 8 als Alternative. Allerdings: Wegen zwei Abstürzen und ungeklärten Softwaremängeln ist die Boeing 737 Max 8 derzeit am Boden. Ob und wann sie wieder fliegen darf ist weiter offen.
Deshalb kämpfen die Bürgerinitatvien weiter und prüfen derzeit eine Klage gegen die Nachtfluggenehmigung am Flughafen Hannover. Der Streit um die laute Nacht rund um Hannover wird weitergehen.