Sendedatum: 07.10.2014 21:25 Uhr

Legal? Die Methoden von Pflege-Vermittlern

von Djamila Benkhelouf

Der Mangel an qualifizierten Fachkräften in der Altenpflege ist nach wie vor groß. Zahllose Pflege-Unternehmen gehen daher neue Wege, um die Nachfrage der Kunden zu befriedigen und am milliardenschweren Pflegemarkt mitzuverdienen.  Ein Geschäftsmodell: Die Vermittlung osteuropäischer Betreuungskräfte. Gut qualifiziertes Personal aus Polen und anderen Ländern wird nach Deutschland geholt, um den hiesigen Bedarf an Pflegedienstleistungen decken. Dabei werden aber rechtliche Rahmenbedingungen vielfach nicht beachtet oder sogar bewusst missachtet.

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Den Familien wird eine professionelle Rund-um-die Uhr-Betreuung durch qualifiziertes Fachpersonal versprochen. Der Lohn für die polnischen Kräfte ist allerdings gering: knapp 1.000 Euro, bei guten Deutschkenntnissen etwas mehr. 

Extrem niedrige Vergütung

Panorama 3 liegen Verträge vom Pflegeunternehmen Promedica 24 vor, darin fällt auf, dass die eigentliche Vergütung, also das monatliche Grundgehalt, mit knapp 42 Euro sehr niedrig ist. Das Einkommen wird mit zusätzlich gezahlten Spesen aufgestockt, knapp 30 Euro pro Tag. Auf die Spesen fallen allerdings keine Sozialabgaben an, diese werden nur auf das niedrige Grundgehalt gezahlt. Die betroffenen Betreuungskräfte zahlen somit auch nur einen kleinen Teil in ihre Rente ein.

Prof. Christiane Brors, Arbeitsrechtlerin von der Uni Oldenburg © NDR
Arbeitsrechtlerin Brors: "Es wird versucht, den sehr sehr niedrigen Lohn noch weiter zu drücken."

Prof. Christiane Brors, Arbeitsrechtlerin von der Uni Oldenburg, sieht darin ein gängiges Geschäftsmodell, Sozialabgaben zu sparen: "Klassischerweise wird versucht, durch Spesen und durch den Abzug von Unterbringungskosten den sehr sehr niedrigen Lohn noch weiter zu drücken. Ausschließlich, um den Gewinn für das Unternehmen zu maximieren." Das Unternehmen streitet die Vorwürfe ab.

Nur über Reisekrankenversicherung abgesichert

Panorama 3 hat einen polnischen Pfleger von Promedica 24 getroffen, der in einem norddeutschen Haushalt gearbeitet und gepflegt hat. Als er sich beim Heben verletzte, musste er sich ärztlich behandeln lassen. Dabei fiel auf, dass er nur über eine einfache Reisekrankenversicherung versichert war. Er holte sich Rat beim Deutschen Gewerkschaftsbund und es wurde klar, dass ihm das sogenannte A-1-Formular fehlt. Dieses Formular ist der einzige Nachweis, dass die Sozialabgaben im Heimatland  abgeführt werden und ausländische Arbeitnehmer versichert sind.

Altenpflege © NDR
Nachdem er sich beim Heben verletzt hatte, fiel dem polnischen Pfleger auf, dass er nur über eine einfache Reisekrankenversicherung versichert war.

Auch auf Nachfrage  erhielt der polnische Arbeitnehmer das wichtige  A-1- Formular von dem für ihn verantwortlichen Unternehmen Promedica 24 nicht. Ein Grund dafür wurde ihm nicht genannt. Auf die Anfrage von Panorama 3 antwortete Promedica 24, die Ausstellung eines solchen Formulars könne eben dauern, manchmal bis zu sechs Monate - eine fragwürdige Aussage. Denn laut dem deutschen Zoll geht das Ausstellen in der Regel deutlich schneller.

Das A-1-Formular schützt außerdem die deutschen Familien, die im Falle seines Fehlens, unter Umständen für die entgangenen Sozialabgaben haften müssten. Prof. Christiane Brors von der Uni Oldenburg weiß um die Risiken, die Familien eingehen, die ausländische Pflegekräfte ohne gültige Papiere beschäftigen: „Wenn Pflegekräfte ohne A-1-Bescheinigung tätig werden, dann findet deutsches Arbeitsrecht Anwendung. Das heißt, die deutschen Privathaushalte werden Arbeitgeber und sie haben die deutschen Schutzvorschriften zu achten, also auch die Arbeitszeiten und sie müssen selbst den Arbeitslohn zahlen und die Sozialabgaben."

Legale Möglichkeiten für die Beschäftigung von Hilfskräften aus Osteuropa

Die Agenturlösung

Private Vermittlungsfirmen arbeiten mit ausländischen Unternehmen zusammen, die die Pflegerinnen bei sich fest angestellt haben. Im Rahmen des EU-Entsendegesetzes schickt das Unternehmen die Frauen dann für meist zwei oder drei Monate nach Deutschland. Rechtlich sauber ist das Verfahren nur, wenn die Bundesagentur für Arbeit eine "Verleiherlaubnis" ausstellt und die Haushaltshilfe die Bescheinigung A1 vom ausländischen Sozialversicherungsträger vorweisen kann.

Man schließt zwei Verträge: mit der deutschen Vermittlungsagentur und mit der ausländischen Firma. Allerdings muss man dabei genau aufpassen, denn nicht alle Anbieter sind seriös. Und der Weg über die Vermittlungsagenturen ist oft auch teuer: Mit 1.800 bis 2.000 manchmal sogar bis zu 2.500 Euro monatlich muss man dafür rechnen, Provision für den deutschen Vermittler inklusive. Die Haushaltshilfe erhält ihren Lohn von dem ausländischen Unternehmen. Wie viel sie verdient, erfährt der deutsche Auftraggeber meistens nicht.

24-Stunden-Pflege kann es nach deutschem Recht gar nicht geben

Arbeitsrechtlerin Brors kritisiert auch grundsätzlich die von einigen Pflegeunternehmen angebotene 24-Stunden-Pflege. Die könne es nach deutschem Recht gar nicht geben.  Ruhezeiten, Urlaubsanspruch, Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall, all das würden die Angebote der 24-Stunden-Pflege ignorieren. In den Verträgen, die die Kräfte unterschrieben, seien Arbeitszeiten oft nicht konkret geregelt. Brors: "Der Einsatz von den polnischen Pflegekräften wird hier benutzt, um den deutschen Pflegenotstand zu kaschieren. Das ist ganz offensichtlich. Weder vonseiten der Politik noch gesamtgesellschaftlich wird hier viel unternommen. Im Gegenteil, man schaut hin und toleriert, dass hier auf dem Rücken der Pflegekräfte das Problem scheinbar gelöst wird."

Die  Seniorenbetreuung, eigentlich ein hochsensibler Bereich, sei zu einem milliardenschweren Markt geworden. "Es geht hier nicht darum, schnelle Autos zu verkaufen, sondern sich um Menschen zu kümmern. Das kann man nicht, wenn man sie auspresst und ihnen die Rechte nimmt, wie das derzeit der Fall ist“, sagt Christiane Brors.

Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 07.10.2014 | 21:25 Uhr

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