Kritische Infrastruktur: Wie leicht Ampeln manipuliert werden können
Viele Ampelsysteme im Norden können offenbar manipuliert werden. Das haben IT-Experten NDR, BR und der Computerzeitschrift "c’t" in Hannover gezeigt. Durch künstlich verlängerte Ampelphasen könnten so Staus erzeugt oder Chaos verursacht werden. Denn fast alle Städte setzen auf eine Technik, die 40 Jahre alt ist.
Der Treffpunkt liegt an einer gut befahrenen Kreuzung im Norden von Hannover. Es dämmert bereits. Wir sind mit zwei IT-Experten verabredet. Sie wollen uns zeigen, wie einfach es ist, Ampeln zu manipulieren. Dafür brauchen sie nicht viel: Eine Antenne, ein Funkgerät, ein Laptop - und schon geht die Fahrt los.
Das Auto ist noch gut 50 Meter von der Ampel entfernt. Sie steht auf rot. Der IT-Experte drückt auf die Enter-Taste auf seinem Laptop. Das Funkgerät unterbricht das Rauschen für den Bruchteil einer Sekunde. Es knackt. Das ist das Signal, der IT-Experte zählt runter: "Zwei - eins". Die Ampel springt um. Einmal grüne Welle auf eigenen Wunsch, geliefert per Funksignal.
Die IT-Experten haben sich an uns Reporter von NDR, BR und "c’t" gewandt um zu zeigen, wie einfach es möglich ist, Ampelsysteme zu manipulieren. Das ist strafbar, deshalb bleiben sie anonym. Sie wollen die Öffentlichkeit darauf hinweisen, dass es diese Sicherheitslücke gibt: Es können zwar nicht alle Ampeln einer Kreuzung gleichzeitig grün oder rot geschaltet werden, aber Ampelphasen künstlich verlängert und so Staus erzeugt oder Chaos verursacht werden, erklären die Experten. Die IT-Experten nutzen das gleiche analoge Funksignal, das zum Beispiel von Bussen verwendet wird, um schneller durch den Verkehr zu kommen. Das Signal ist nicht verschlüsselt. Das Problem sei seit vielen Jahren bekannt, die analoge Funktechnik stammt aus den 1980er-Jahren.
Viele große Städte nutzen unsicheren Analogfunk
Reporter von Panorama 3 und kontrovers, BR Recherche sowie dem Computermagazin "c’t" haben 13 größere Städte in Norddeutschland gefragt, welche Technik sie einsetzen, um Ampeln zu steuern und Bussen, sowie Bahnen Vorfahrt zu gewähren. Das Ergebnis: Fast alle nutzen die alte Technik Analogfunk, die standardmäßig unverschlüsselt ist. Im Norden hat einzig Hamburg schon teilweise auf Digitalfunk umgestellt, der sich verschlüsseln lässt. Auf Anfrage räumen viele Städte ein, dass das System ausgenutzt werden könne. Die möglichen Auswirkungen seien gering, heißt es, außerdem sei es sehr aufwendig und verboten. Dass das Signal jemals absichtlich ausgenutzt wurde, ist keiner Stadt bekannt.
Problem: Schleppende Digitalisierung
Professor Mathias Fischer ist IT-Experten und Spezialist für kritische Infrastrukturen, er lehrt an der Universität Hamburg: "Das ist schon erschreckend, wie einfach es tatsächlich ist, Ampeln zu beeinflussen", sagt er zu den Rechercheergebnissen. Analogfunk sei ein "sehr altes Protokoll, das komplett ohne Sicherheitsmechanismen kommt". Einzelne Ampeln zu manipulieren, sei zwar lokal beschränkt, aber es zeige, wie die Digitalisierung auch im Verkehrssektor hinterherhinke. Es mangele an Geld und qualifiziertem Personal: "Es fehlen überall gut ausgebildete Informatiker, die Digitalisierung stemmen können", so Fischer.
Digitalfunk bietet mehr Schutz
Auf Anfrage, ob man sich bewusst sei, dass diese Systeme ausgenutzt werden können, äußerte sich die Stadt Hannover nicht. Man erforsche jedoch neue Technologien, heißt es. Diese könnten dann auch verschlüsselt senden und wären nicht ausnutzbar.
Um Ampeln abzusichern, gibt es die Möglichkeit, auf verschlüsselten Digitalfunk umzustellen. Ein Kopieren der Funksignale ist dann nicht ohne weiteres mehr möglich. Ende 2028 müssen die Städte ihre Ampeltechnik umgerüstet haben: Nur bis dann darf der Analogfunk noch verwendet werden.