Stand: 26.11.2019 18:00 Uhr

Ibrahim Miri: Schwere Vorwürfe gegen deutsche Behörden

von Nino Seidel, Jonas Schreijäg

Ibrahim Miri sitzt vor einem kleinen Holzregal, eine Stuckleiste verziert die Wand hinter ihm. Mehr ist nicht zu erkennen. Er sei bei einem Bekannten im Libanon, sagt Miri in dem Videotelefonat, das er mit Reportern von NDR und "Süddeutscher Zeitung" führt. Wo genau, will er nicht sagen.

Angeblich hat er Angst, verschleppt oder umgebracht zu werden. Milizen seien hinter ihm her. Er traue sich deswegen nicht aus dem Haus. "Der deutsche Staat weiß, dass sie mir hier das Leben trachten. Und das weiß auch die Polizei", sagt Miri. "Und trotzdem haben die mich abgeschoben."

VIDEO: Ibrahim Miri: Schwere Vorwürfe gegen Behörden (6 Min)

Zwei Abschiebungen in einem Jahr

Miri ist innerhalb weniger Monate zwei Mal aus Deutschland abgeschoben worden. Nach seiner ersten Abschiebung im Juli war er wieder eingereist, vor wenigen Tagen musste er das Land erneut verlassen. Sein Fall hat eine politische Debatte ausgelöst. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) kündigte unter anderem an, die Grenzkontrollen zu verschärfen.

In dem Video-Telefonat erhebt Ibrahim Miri nun schwere Vorwürfe gegen die deutschen Behörden. Jahrelang hatte der 46-Jährige offenbar ohne gültige Passdokumente in Bremen gelebt, nun lagen den libanesischen Behörden allem Anschein nach doch Dokumente vor, die eine Einreise Miris in den Libanon möglich machten. "Ich glaube, diese Papiere wurden gefälscht. Und es ist viel Geld geflossen an die libanesischen Behörden, die mich hier aufgenommen haben." Das Bundesinnenministerium erklärt auf Anfrage: "Die für die Abschiebung erforderlichen Dokumente wurden durch die libanesischen Behörden ausgestellt. Darüber hinaus liegen hier keine Erkenntnisse vor."

Eine kriminelle Karriere

Ibrahim Miri soll 1986 im Alter von 13 Jahren nach Deutschland gekommen sein. 1989 wurde er das erste Mal strafrechtlich verurteilt, danach immer wieder, unter anderem wegen Raubes, Erpressung und Entführung. Er war über Jahre Boss der Rockerbande MC Mongols in Bremen. Zuletzt saß er von 2014 bis März dieses Jahres in Haft wegen bandenmäßigen Drogenhandels. Bereits 1998 erteilte Bremen eine erste Ausreiseverfügung. Allerdings konnten die Behörden lange Zeit seine Staatsangehörigkeit nicht klären. Deshalb wurde er über Jahre geduldet.

Dieter Romann, Präsident des Bundespolizeipräsidiums, schaut in die Kamera. © Bundespolizeipräsidium
War Bundespolizei-Präsident Dieter Romann involviert?

Dann ging es auf einmal schnell. Am 10. Juli dieses Jahres weckten Spezialkräfte der Polizei Miri in seiner Wohnung. Er wurde mit einem Hubschrauber nach Berlin geflogen und von dort mit einem Jet in den Libanon gebracht. Nach Recherchen der Zeitung "Die Welt" soll der Präsident der Bundespolizei, Dieter Romann, persönlich dafür gesorgt haben, dass Miri abgeschoben werden konnte. Er soll mitverantwortlich dafür sein, dass Miri von den libanesischen Behörden die nötigen Papiere ausgestellt worden sind - unter anderem im Rahmen einer Dienstreise im Herbst 2018 nach Beirut.

Der Abgeschobene kehrt zurück

Doch Miri gelang es wieder nach Deutschland zu kommen, obwohl ihm die Behörden für die kommenden sieben Jahre die Wiedereinreise untersagt hatten. Laut eigener Darstellung kam er über die Türkei mit Hilfe eines Schleusers zurück nach Bremen und stellte dort Ende Oktober erneut einen Asylantrag. Er behauptet, er habe dies aus Angst um sein Leben getan, aber auch wegen seiner Familie, die in Deutschland lebt.

Miri will angeblich mit seiner kriminellen Vergangenheit abgeschlossen haben. Er sei Ende 2016 ausgestiegen. "Ich wollte diesen Wandel wegen meiner Familie", sagt Miri in dem Video-Telefonat. "Ich möchte nicht, dass mein Sohn aufwächst - oder meine Kinder sag ich mal - aufwachsen und sehen, dass ich kriminell bin."

Inwiefern dies glaubhaft ist, lässt sich schwer überprüfen. Allerdings wurde Miri im März vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen. In Unterlagen der Justizvollzugsanstalt, die dem NDR und der SZ vorliegen, heißt es, sein Sozialverhalten werde "durchweg positiv berurteilt". Ein Sachverständiger schrieb: "Miri hat sich im Gespräch glaubhaft von seinem delinquenten Verhalten distanziert." Mit seiner Lebensgefährtin erwartet Miri in Kürze das zweite gemeinsame Kind, er hatte vor seiner ersten Abschiebung im Juli einen festen Arbeitsplatz und wollte Bremen verlassen.

Keine konkrete Gefahr für Leib und Leben

Die Sicherheitsbehörden glaubten ihm allerdings nicht. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) lehnt Miris Asylantrag als "offensichtlich unbegründet" ab. Er klagt dagegen, doch das Verwaltungsgericht in Bremen kommt zu dem Schluss, dass ihm im Libanon keine "konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht oder eine erniedrigende oder unmenschliche Behandlung." Miri wurde deshalb am 23.11. erneut in den Libanon abgeschoben.

Sein Anwalt, Albert Timmer, sagt nun, dass "ein Exempel statuiert werden" sollte. Der Staat habe zeigen wollen, dass man auch Personen, die aus dem Libanon stammen, deren Staatsangehörigkeit ungeklärt ist und die schon lange in Deutschland leben und straffällig geworden sind, abschieben könne: "Das sollte am Beispiel von Herrn Miri gezeigt werden. Das hat man in diesem Fall auch gezeigt", so Timmer. Da hätte es nicht mehr ins Konzept gepasst, wenn Miri plötzlich keine Gefahr mehr dargestellt hätte. Ein generalpräventives Interesse habe die persönlichen Interessen von Herrn Miri und die persönlichen Interessen seiner Ehefrau überwogen: "Und das ist aus meiner Sicht rechtsstaatlich bedenklich."

"Hochkriminelle Vergangenheit"

Die Bremer Innenbehörde wies diesen Vorwurf als "abwegig" zurück. "Es geht nicht darum, an Einzelnen ein Exempel zu statuieren, sondern kontinuierlich und gezielt ausländische Straftäter abzuschieben", hieß es auf Anfrage. Da solche Maßnahmen sehr aufwendig seien, habe die Bremer Innenbehörde extra dafür im Mai eine spezielle Ausländerbehörde eingerichtet: "Herr M. mit seiner hochkriminellen Vergangenheit gehörte von Anfang an zur Gruppe derjenigen, an dessen Abschiebung die Fachleute arbeiteten."

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Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 26.11.2019 | 21:15 Uhr

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