Heimlich lieben? Diskriminierung Homosexueller
Wenn Lina Lefevre mit ihrer Freundin an der Hand durch die Straßen geht, ist sie unterbewusst immer alarmiert: Starrt uns jemand an? Ist es ein Risiko sich homosexuell zu zeigen? Abwertende Sprüchen und Blicke hat Lefevre schon mehrmals bekommen, erzählt die 25-Jährige Panorama 3.
Aber auch ihre Angst vor tätlichen Übergriffen ist nicht unbegründet. Eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Volker Beck beim Bundesinnenministerium ergab jüngst, dass in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres über 200 politisch motivierte Straftaten gegen Homosexuelle begangen wurden. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Anstieg um 15 Prozent.
Nur Hamburg erhebt Zahlen
Farid Müller, Bürgerschaftsabgeordneter der Grünen in Hamburg, ist schwul und bekommt deswegen seit Jahren Morddrohungen aus der rechten Szene. Er glaubt, dass die Dunkelziffer der homophob motivierten Straftaten noch deutlich höher ist als die Bundesstatistik anzeigt. Zum einen, weil viele Betroffene nicht zur Polizei gehen. Zum anderen, weil es nicht in allen Bundesländern möglich ist, bei einer Anzeige anzugeben, dass eine Straftat homophob motiviert war. Selbst wenn es zur Anzeige komme, tauchten so viele Fälle nicht in der Statistik auf, so Müller.
In Hamburg werden die Zahlen mittlerweile erhoben. Außerdem gibt es für die Opfer spezielle Ansprechpartner bei der Polizei. Dass die Zahl der Anzeigen steigt, wertet der Grünen-Politiker als Erfolg bei seiner Bemühungen, das Dunkelfeld aufzuhellen. Nur so könnten Maßnahmen dagegen ergriffen werden. Hamburg erhebt diese Zahlen als einziges Bundesland in Norddeutschland. Ein großes Versäumnis, findet Müller: "Da fühlen sich die Betroffenen natürlich nicht ernst genommen."
Die Stimmung ist aggressiver geworden
Ein Betroffener ist der Schauspieler Gustav Peter Wöhler. Auf dem Heimweg von einer Geburtstagsfeier wurde er von zwei Männern angegangen: "Na, du schwule Sau, wo hast du deinen Freier gelassen", riefen sie ihm entgegen, begannen ihn herum zu schubsen und zu treten. Erst als einige Passanten vorbei kamen, ließen sie von ihm ab. Die Stimmung gegen Schwule sei in den letzten Jahren wieder aggressiver geworden ist, sagt Wöhler. "Man darf wieder sagen 'Ihr schwulen Schweine. Wir wollen euch hier nicht haben'."
Auch Thomas Pollin überlegt sich daher genau, wann und wo er in der Öffentlichkeit sein Schwulsein preisgibt. Oftmals traue er sich nicht seinen Freund zu umarmen. Auch er ist schon offen verbal und körperlich attackiert worden. Die neue homophobe Gewaltbereitschaft begründet der Modedesigner damit, dass Homosexuelle offener und selbstbewusster auftreten. Das sei einigen Gruppen nun zu viel geworden: "Dass wir ein normales Leben haben wollen, mit Familie, Haus und Hof, das ist bei vielen noch nicht in den Köpfen drin und dadurch kommt eine gewisse Aggression hoch", sagt Pollin.
Gleicher Respekt für alle
Umso wichtiger wäre es, dass sich der Staat jetzt für seine homosexuellen Bürger einsetzt, findet Farid Müller - zum Beispiel, indem er die Straftaten gegen diese Minderheit überall registriert: "Es heißt 'alle müssen gleich behandelt werden, den gleichen Respekt bekommen'. Aber wenn Schwulen und Lesben etwas passiert, was mit Respekt nichts zu tun hat, dann ist das egal. Im Jahr 2017 passt das für mich nicht zusammen."